piwik no script img

Verwaltungsgericht urteilt über Umweltpolitik der StadtDie Luft ist nicht rein

Auf Hamburg könnten Umweltzone und Tempolimits zukommen, denn das Verwaltungsgericht ließ durchblicken: Jetzt reicht’s.

Vier Luftmessstationen messen seit Jahren miese Luft: Passiert ist bisher nichts. Bild: dpa

HAMBURG taz | Umweltzone, Tempolimits auch für Hauptstraßen, Tempo-30-Zonen – auf Hamburgs Straßen könnten einschneidende Änderungen zukommen. Das ist die Tendenz aus der Verhandlung des Hamburger Verwaltungsgerichts über zwei Klagen gegen die Luftreinhaltepolitik der Stadt. Vertreter der Stadt räumten ein, „dass da ein paar Knackpunkte auf uns zukommen werden“. Am morgigen Donnerstag will das Gericht sein Urteil verkünden.

Geklagt haben der Privatmann Matthias Pätzold und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Pätzold wohnt in nahe der Luftmessstation an der Max-Brauer-Allee in Altona, die seit Jahren Überschreitungen der Grenzwerte von Schadstoffen in der Luft misst. 2012 lag der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid (NO2) bei 65 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft – erlaubt sind 40 Mikrogramm. Auch an drei anderen Messstellen in Hamburg werden die Grenzwerte regelmäßig überschritten. Das bestritten die Vertreter der Stadt bei der gestrigen Verhandlung nicht. Nur könne eine Hafen- und Industriestadt wie Hamburg wenig dagegen tun. Es sei denn, der Autoverkehr als Hauptverursacher werde halbiert.

Damit könnten Pätzold und BUND gut leben und sie können sich über die Schützenhilfe der EU-Kommission freuen. In einem Schreiben vom 22. September erkundigte sich die dortige Generaldirektion Umwelt bei der Bundesregierung, wann Deutschland gedenke, „die verbindlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Luft“ einzuhalten. In 33 Gebieten der Bundesrepublik werde gegen diese Bestimmung verstoßen – im Norden zählen der „Ballungsraum Hamburg“ und der „Ballungsraum Niedersachsen-Bremen“ dazu.

Nach Einschätzung des BUND sind in Hamburg mehr als 200.000 Menschen von verschmutzter Luft betroffen. Hauptursache ist nach Einschätzung der Umweltbehörde der Autoverkehr. In internen Unterlagen hatte die Behörde vor Jahren eingeräumt, dass die Grenzwerte „nur mit sehr einschneidenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen“ eingehalten werden können. Höhere Parkgebühren, Tempo-30-Zonen, Umweltzone und City-Maut für die Innenstadt schweben dem BUND vor. All das lehnt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) aber kategorisch ab.

Saubere Luft

In der EU gilt für Luft seit 2013 ein Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid (NO2) pro Kubikmeter:

Überschreitung: In Hamburg wird dieser Wert an mehreren Messstellen kontinuierlich überschritten. Werte von 67 bis 74 Mikrogramm sind hier die Regel.

Ausnahme: Hamburg beantragte bei der EU eine Fristverlängerung bis 2015, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das lehnte die EU im Februar 2013 ab.

Gegenmaßnahmen: Der Hamburger SPD-Senat lehnt Eingriffe in den motorisierten Straßenverkehr - wie Umweltzone oder City-Maut - weiterhin kategorisch ab.

Landstrom: Seit Juli wird an der zehn Millionen Euro teuren Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe gebaut. Am morgigen Freitag wird Richtfest gefeiert, im Sommer 2015 soll die Anlage fertig sein. Kreuzfahrtschiffe können dann während der Liegezeit am Kai mit Ökostrom versorgt werden und die Dieselaggregate abschalten.

Die EU hatte bereits 2013 Hamburgs Bitte um Fristverlängerung für die Suche nach „geeigneten Maßnahmen“ bis 2015 abgelehnt. Gebessert hat sich nichts und nun verliert Brüssel die Geduld. Die Umweltdirektion will in ihrem Schreiben vom 22. September wissen, welche zusätzlichen Maßnahmen geplant oder bereits ergriffen wurden, um den Verpflichtungen zur Luftreinhaltung nachzukommen. Sie hätte auch gern einen Zeitplan und eine Prognose der zu erwartenden Ergebnisse. Deutschland und damit auch Hamburg haben nun bis Anfang Dezember Zeit. Bis dahin wird auch der Beschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts vorliegen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Autoverkehr halbieren - ja, ich bin dafür!