Zukunft der Hafencity: Alles neu im Überseequartier
Der Senat hat einen neuen Investor für das südliche Überseequartier gefunden. Gebaut werden soll ein Stück Stadt – keine klimatisierte Shopping Mall.
Im Herzen der Hafencity kann weitergebaut werden. Nach drei Jahren Stillstand hat der Senat einen neuen Bauherren gefunden, der bereit ist, 860 Millionen Euro in das Viertel rund um die U-Bahn-Station „Überseequartier“ zu investieren. Nach dem überarbeiteten Konzept, das der Senat und die Firma Unibail-Rodamco im Rathaus präsentierten, sind mehr Geschäfte geplant, weniger Büros, dafür Wohnungen und auch Unterhaltung, etwa ein Kino.
Statt des einst geplanten Science Centers am Ausgang des Magdeburger Hafens soll jetzt ein ausdrucksstarkes Bürohochhaus gebaut werden. Allein im Handel, der Gastronomie und der Unterhaltung sollen 1.900 Vollzeitarbeitsplätze entstehen.
Stadtplanerisch bleibt es beim Konzept eines rund um die Uhr offenen Stadtraums – im Gegensatz zu einer geschlossenen, klimatisierten Einkaufspassage, wie es sie in der Innenstadt zuhauf gibt. Die Gebäude werden so ausgerichtet, dass der Westwind weniger heftig durch die Gassen fegt. Hohe gläserne Dächer sollen an wichtigen Stellen den Regen abhalten. Hafencity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg sprach von einem „Galerie-Konzept fast wie im 19. Jahrhundert“.
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte, es sei schwierig gewesen, einen Bauherrn dafür zu finden. „Alle anderen Investoren sind nicht bereit, eine solche Konzeption weiterzuverfolgen“, sagte Scholz. Die ausgewählte Firma Unibail-Rodamco verfüge über die nötige eigene Finanzkraft und Erfahrung.
Der Investor: Unibail-Rodamco ist das größte börsennotierte Unternehmen für Gewerbeimmobilien Europas. Vertreten in zwölf Ländern, verfügt es über einen Bestand im Wert von 33,6 Milliarden Euro und vier Milliarden Euro cash zum Investieren. Die deutsche Tochter heißt MFI.
Die Nutzung: 80.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für Geschäfte statt bisher 40.000; 56.900 Quadratmeter für Büros statt 108.600, 44.800 Quadratmeter neu für Wohnungen, 23.500 für Hotels, 6.000 für die Gastronomie und 10.000 bis 12.000 für Unterhaltung.
Der Ablauf: Die Bürgerschaft muss der Übertragung der Grundstücke von den bisherigen Investoren auf den neuen Bauherrn zustimmen. 2015 soll es Architekturwettbewerbe geben. Zugleich wird ein neuer Bebauungsplan erarbeitet. Voraussichtlicher Baubeginn 2017, Fertigstellung 2021.
„Es war sehr schwierig, den Anforderungen der Stadt zu genügen“, sagte Christophe Cuvillier, der Vorstandsvorsitzende von Unibail-Rodamco. Es habe gegolten, ein offenes Einkaufsviertel mit einer guten Verbindung zur Innenstadt und der nötigen kritischen Masse zu entwerfen – ohne der Innenstadt Konkurrenz zu machen. Cuvillier plant deshalb Geschäfte und Lokale, die einen Besuch zum Erlebnis machen sollen.
Um die „kritische Masse“ zu schaffen, wurde die Einzelhandelsfläche verdoppelt. „Wir haben in der Vergangenheit einfach zu niedrig gegriffen“, sagte Bruns-Berentelg. Die größere Fläche erlaube ein breiteres Angebot und schaffe Platz für bekannte Marken, die viel Platz brauchten, aber auch viel Publikum anzögen. Um die zusätzliche Fläche zu schaffen, werden die Geschäfte Untergeschosse in den Warften bekommen, auf denen die Hafencity-Häuser aus Gründen des Hochwasserschutzes stehen. Die Tiefgaragen werden dafür eine Etage tiefer gelegt.
„Der geplante Bau eines weitgehend unterirdischen Einkaufszentrums widerspricht der bisherigen städtebauliche Planung“, monierte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Hans-Detlef Rook. Seine Fraktion kritisierte den geplanten starken Zuwachs an Ladenfläche. Bürgermeister Scholz sah das anders: „Wir haben nicht genug Fläche für die Nachfrage“, sagte er. Belebe sich der Südteil des Überseequartiers, hätten auch die Geschäftsleute im Nordteil keine Schwierigkeiten mehr, Kundschaft zu finden.
Erstmals sind jetzt im südlichen Überseequartier überhaupt Wohnungen vorgesehen – rund 400, überwiegend nördlich der U-Bahn-Linie, sodass sie vom Lärm und den Abgasen des Hafens einigermaßen verschont bleiben. Das von der Stadt vorgegebene Drittel Sozialwohnungen wird es aber nur auf einigen wenigen Grundstücken geben, die der Senat zusätzlich an Unibail-Rodamco verkauft. „So stellt sich also die SPD die Verteilung der Sozialwohnungen auf die ganze Stadt vor“, spottete Heike Sudmann von der Linken.
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