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Das Mekka des Olivenöls

MITTELMEERKULTUR Weil er sich nicht länger über den Tisch ziehen lassen wollte, importiert Conrad Bölicke Olivenöl direkt von den Erzeugern. Jedes Jahr zu den Abholtagen stellt er diese seinen Endkunden vor. 12.000 von ihnen erwartet er in seinem Dorf bei Bremen

Beim Olivenöl gilt : Je länger man mit der Ernte wartet, desto höher ist der Fettanteil im Öl

VON GRETA KÖHLER

Conrad Bölicke hat es sich am Tisch im griechischen Salon gemütlich gemacht. Der Organisator der Olivenöl-Abholtage ist in seinem Element. Seine fast weißen Haare stehen senkrecht vom Kopf ab. Den Berliner Akzent hat der 61-Jährige in all den Jahren in Niedersachsen nicht verloren. Er redet schnell, macht kaum Pausen. Nach einer halben Stunde hat man verstanden, dass es ihm um Beziehungen geht, um Transparenz, Qualität und Aroma und vor allem um die Aufwertung von Olivenöl. Bereits im 15. Jahr finden die Olivenöl-Abholtage im kleinen Ort Wilstedt, in der Nähe von Bremen, statt. 12.000 Besucher erwartet Bölicke auch dieses Jahr. Die Besucher kommen, um sich für das kommende Jahr ihren Vorrat Olivenöl abzuholen.

Das große Probierzelt ist gut besucht. Eine Gruppe von Frauen hat sich vor dem Tresen aufgebaut und diskutiert lautstark. „Das brennt noch richtig nach im Hals“, sagt eine blonde Mitfünfzigerin. Ihre Freundin nickt bedächtig und schleckt mit der Zunge den kleinen Plastikbecher aus. Ihr Blick geht in die Ferne. Gleichzeitig versucht sich eine Frau in knallpinker Jacke an den Tresen vorzukämpfen. Sie reckt den Hals, um einen Blick auf das Angebot zu erhalten. Während die vier Freundinnen bei der nächsten Sorte angekommen sind, entdeckt eine Mitarbeiterin die Frau in Pink und reicht ihr einen Becher über die Köpfe hinweg. „Hier trifft sich der harte Kern“, erklärt die Mitarbeiterin den Trubel, „die, die jedes Jahr auf die Ernte warten.“

1998 lud Bölicke die erste Erzeuger-Familie aus Spanien zu sich ein, um sie seinen Kunden persönlich vorzustellen. In seiner Wohndiele saßen sie zusammen und redeten über Olivenöl. So wurden die Olivenöl-Abholtage geboren. Mittlerweile kommen 19 Familien aus Spanien, Italien und Griechenland, um persönlich den Kontakt zu ihren Kunden zu pflegen.

Auch vor Ioannis und Edith Fronimakis’ Stand hat sich eine Menschentraube gebildet. Doch Edith ist gerade etwas essen gegangen und Ioannis plaudert mit einem Besucher. Stattdessen betreut das Ehepaar Nutzenberger den Stand. Sie nehmen die beiden Oliviers aus Griechenland jedes Jahr bei sich auf und helfen am Probierstand aus, damit Edith und Ioannis, so wie jetzt, einmal Pause machen können. „Wir nehmen nur dieses Olivenöl“, erzählt Frau Nutzenberger strahlend, „auch für unseren Hund. Das macht das Fell so schön glänzend.“

Ioannis und Edith kommen seit zwölf Jahren zu den Abholtagen, um ihr Olivenöl anzubieten. Edith ist Österreicherin. Ein Urlaub verschlug sie vor 25 Jahren nach Kreta. „Da habe ich sie nicht mehr weggelassen“, sagt Ioannis grinsend. Doch Ioannis hat nicht nur Olivenöl im Gepäck. Auch ein Gläschen selbst gebrannten Schnaps bietet er den Besuchern gern an. Während die Vier sich um die Besucher kümmern, ist nicht zu übersehen, dass sie ein eingespieltes Team sind.

Mitte der Neunzigerjahre gründete Bölicke die Olivenölkampagne. Motiviert durch die Tatsache, dass mit Olivenöl im Lebensmittelsektor am meisten Betrug betrieben wurde, machte er sich auf die Suche nach Höfen, die ebenfalls an einer besseren Qualität interessiert waren. Beim Olivenöl gilt grundsätzlich, je länger man mit der Ernte wartet, desto höher ist der Fettanteil im Öl. Nur danach bestimmt sich üblicherweise der Preis.

Doch mit der späteren Ernte geht auch das Aroma verloren. „Das Öl schmeckt ranzig“, sagt Bölicke. Er weist gern darauf hin, dass die Olive eigentlich eine Obstfrucht sei, die ihr größtes Aromenspektrum in der Reifemitte erreicht. Soll es gut schmecken, muss auf fünf bis 15 Prozent Öl verzichtet werden. Bölicke gleicht das mit Preisen aus, die über dem Marktüblichen liegen. Dies schreckt die Kunden nicht ab. „Im normalen Handel kauft man doch die Katze im Sack“, sagt ein Besucher. „Hier kann man mal probieren und sieht wer dahinter steckt.“

Auch wenn mittlerweile Wurst, Bonbons, Kräuter, Käse und vieles mehr die Abholtage ergänzen, ist doch für viele das Olivenöl der Grund für ihren Besuch. Das Vertrauen in Conrad Bölicke und seine Hersteller ist da, und der gebürtige Berliner weiß, wie er sich das auch in Zukunft erhält. „Zeit zum Klönen zu haben ist wichtiger, als immer mehr Aussteller ranzuholen“, sagt er.

Bölickes Konzept scheint aufzugehen.

Olivenöl-Abholtage, 27. und 28. April, 10 bis 18 Uhr, Kostenbeitrag vier Euro, ermäßigt zwei

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