Kolumne Wir retten die Welt: Das Pfui-Wort im Alltagstest
„Subventionierung“ hat in unseren Neolib-Zeiten einen Ekelfaktor wie sonst nur Tierquälerei mit Todesfolge. Doch die Staatsknete steckt überall.
D er Tee ist langsam kalt geworden, das Brot gegessen, die Krümel über den Tisch verstreut. Mein Frühstück ist fast vorbei, als ich zu meiner drittliebsten Tageszeitung greife. Die FAZ berichtet im Wirtschaftsteil über eine neue Debatte rund um den Ökostrom. Pardon: den „subventionierten Ökostrom“.
Wo die Kollegen recht haben, haben sie recht. Der deutsche Grünstrom lebte und lebt von finanziellen Hilfen. Zwar haben alle Fans von Sonne und Wind sich lange gegen das Pfui-Wort „Subventionen“ gewehrt, weil das Geld nicht vom Staat, sondern direkt vom Stromkunden kommt. Inzwischen können aber auch die größten Energie-Ökos ein Grinsen nicht mehr unterdrücken, wenn sie in Brüssel diese Definition von Nicht-Staatsknete erklären sollen. Und die Bundesregierung hat gerade extra einen Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt, um das zu klären. Denn der Vorwurf „Subventionierung“ hat in unseren Neolib-Zeiten einen Ekelfaktor wie sonst nur Tierquälerei mit Todesfolge. Was subventioniert wird, ist doof – und wer subventioniert, ist böse.
Ich räume den Tisch ab. Die Milch von einem deutschen Bauernhof, der Direktzahlungen aus dem Agrartopf der EU erhält, kommt in den Kühlschrank. Die Beihilfe-Orangen aus Spanien landen im Obstkorb, die Leberwurst aus finanziell unterstütztem Ökolandbau wird wieder eingepackt.
Dann muss ich rennen, um die subventionierte S-Bahn noch zu erreichen. Am Fenster zieht ein subventionierter Kindergarten vorbei, gleich die subventionierte Kirchengemeinde St. Thomas. Ich steige aus und laufe am subventionierten Schwimmbad vorbei zur taz, auf deren Produkt wie für alle Zeitungen eine geringere Mehrwertsteuer erhoben wird. Wenn ich aus dem Bürofenster schaue, fällt mein Blick auf Häuser, die im sozialen Wohnungsbau errichtet wurden. Dahinter zeigen sich die Dächer der beiden subventionierten Opern in Berlin-Mitte, gleich daneben liegt die Museumsinsel mit ihren Subventionspalästen.
Statt subventionierter Theaterkarten steuerreduzierte Schnittblumen
Mein Handy klingelt. „Hast du daran gedacht, die subventionierten Theaterkarten zu besorgen?“, fragt meine Frau. Verdammt! Zerknirscht betrete ich den Laden eines Floristen, um steuerreduzierte Schnittblumen zu erwerben. Nebenan gibt’s rohe Knochen als subventioniertes Futter für Nachbars Zwergpinscher Hasso.
Am Nachmittag kommen die Kinder aus der subventionierten Schule nach Hause. Ihr subventionierter BVG-Bus fährt über öffentlich finanzierte Straßen. Sie erzählen, dass Freunde eine Flugreise in die Karibik planen, für die keine Kerosinsteuer und keine Emissionszertifikate anfallen. Die Mutter ihrer Freunde arbeitet als Managerin in einem großen Unternehmen. Der Konzern hat für seine Zentrale das Bauland weit unter dem Marktpreis kaufen können, bekommt die Emissions-Zertifikate für seine energiefressende Produktion vom Staat geschenkt und ist von der Ökosteuer befreit. Die Familie liest die FAZ.
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