Bruno-Kreisky-Preis für Najem Wali: Das Menschliche in der Hölle
Najem Walis Roman „Bagdad Marlboro“ erhält den Bruno-Kreisky-Preis. Es ist eine Auszeichnung für das politische Buch.
Najem Wali war gerade in den USA unterwegs, als ihn die Nachricht ereilte: Sein jüngster Roman „Bagdad Marlboro“ wird mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch ausgezeichnet. Vergeblich hatte er tags zuvor versucht, in Fort Meade, Maryland, in die Hochburg des Geheimdienstes NSA einzudringen. Und wenig später sollte er sich mit der 90-jährigen Wienerin Annie Kelemen treffen, die 1939 mit dem letzten Kindertransport nach London der Deportation ins KZ entgangen war.
Die Holocaust-Überlebende setzt sich jetzt für die prominenteste politische Gefangene der USA ein: Chelsea Manning, die vor fünf Jahren als Soldat Bradley Manning Hunderte E-Mails, die Gräueltaten der US-Marines im Irak dokumentieren, an Wikileaks geleakt hatte. Ihr ist „Bagdad Marlboro“ zugeeignet und um sie soll es auch im nächsten Roman gehen.
Najem Wali ist ein Meister des Verbindens von Handlungssträngen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und so fiel es ihm nicht schwer, Gemeinsamkeiten zwischen seinem eigenen Schicksal und dem Namensgeber des Preises zu entdecken, der ihm am Montag im Wiener Rathaus verliehen wurde.
Im Sitzungssaals des Stadtsenats hatte sich der sozialdemokratische Adel versammelt. Darunter Exbundeskanzler Alfred Gusenbauer, der inzwischen als internationaler Konsulent für alles Mögliche üppig Kohle macht, Exfraktionschef Josef Cap, der als geschäftsführender Präsident des Karl-Renner-Instituts nicht viel zu tun hat, und natürlich Hannes Swoboda, ehemals SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament.
Der Roman „Bagdad Marlboro“ ist im Hanser Verlag erschienen.
„Wie kann man als Mensch in der Hölle überleben?“
Als Präsident der Jury konnte er das Privileg beanspruchen, die Laudatio auf den irakischen Preisträger zu halten. Die Jury bemüht sich immer, Schriftsteller zu ehren, die in einer Beziehung zum Lebenswerk des ehemaligen SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1970–1983) stehen. Das waren vor allem die Nahostpolitik und der antifaschistische Widerstand.
Wali entdeckte in seiner Dankesrede erstaunliche Parallelen: „Was mir zuerst ins Auge stach, war seine Verhaftung 1936 aufgrund seiner politischen Aktivitäten gegen das austrofaschistische Regime. Damals war er 25 Jahre alt und wanderte für ein Jahr hinter Gitter.“ Er selbst war 44 Jahre später „23 Jahre alt gewesen, als man mich in die Folterzellen der Baath-Partei und damit eines Diktators geworfen hatte, dem bei seinem Sturz niemand auch nur eine Träne nachweinte“.
Wali, der alle seine Romane im deutschen Exil geschrieben hat, stelle, so Swoboda in seiner Laudatio, immer wieder die Frage: „Wie kann man als Mensch in der Hölle überleben?“ Und obwohl diese Bücher die schrecklichsten Ereignisse schildern, könne man „die Hoffnung auf Frieden und Menschlichkeit herauslesen“. Wali versteht sich als Aufklärer, der den Wahnsinn des islamistischen Terrors nicht beschönigen will, aber auch den Westen, dessen Kolonialpolitik viel dazu beigetragen habe, nicht aus der Verantwortung entlässt.
So macht er sich einen Leitsatz der litauisch-amerikanischen Anarchistin und Friedensaktivistin „Red Emma“ Goldman zu eigen: „Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Unwissenheit.“
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