die taz vor 14 Jahren: Die Krise der NRW-SPD
Wenn Joschka Fischer von den NRW-Sozis spricht, dann fehlt nie das Wort von den reformunfähigen „Betonköpfen“. Auch bei den Intellektuellen in der Bonner SPD-Baracke galten die jahrelang als „NRWlinge“ gescholtenen Sozis aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland nie viel. Der Ruf beruht auf handfesten Erfahrungen. Ganz gleich ob in der Nachrüstungsfrage, ob beim Streit um den Radikalenerlaß oder in der Antiatomdebatte, von NRW gingen die entscheidenen parteiinternen Diskussionsanstöße nie aus. In der Regel erhoben die Sozis dort immer dann das Wort, wenn es nichts mehr zu sagen gab. Das Bild von dem großen, starren Block, der das ratifiziert, was andere politisch zuvor ausgefochten haben, in den wichtigen Debatten der achtziger Jahre wurde es geprägt. Ein Mann trägt dafür wesentlich Verantwortung — Johannes Rau. Seit 14 Jahren Vorsitzender der Partei, seit 12 Jahren Ministerpräsident. Sich öffentlich mit Parteifreunden zu streiten, war seine Sache nie.
Die Düsseldorfer Opposition zeiht Rau wegen solchen Abtauchens seit Jahren der Führungsschwäche. Tatsächlich jedoch gehört das Schweigen zum „System Rau“. Das System konzentriert sich auf das, was durchgesetzt werden kann, und das wird dann auch mit aller Konsequenz getan. Am Beispiel des Schnellen Brüters von Kalkar wird dieser Politikstil deutlich. Während die SPD in Schleswig-Holstein großspurig vor der letzten Landtagswahl verkündete, innerhalb von acht Jahren aus der Atomenergie aussteigen zu wollen, mied die NRW-SPD im eigenen Land jede Fristfestsetzung. Ein Beispiel dafür, wie das „System Rau“ funktioniert. taz, 16.12.1991,Walter Jakobs
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