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Palästinenserpartei Fatah spaltet sich

Der in Israel verurteilte populäre Politiker Barghuti tritt bei den Parlamentswahlen im Januar mit einer eigenen Partei an. Der Grund: Präsident Abbas respektiert den Parteiwillen nicht und will den bisherigen Regierungschef Kurai als Spitzenkandidaten

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Knapp sechs Wochen vor den palästinensischen Parlamentswahlen führt der Generationskonflikt innerhalb der Fatah zu einer Spaltung der Regierungspartei. Marwan Barghuti, Chef der Fatah im Westjordanland, der wegen Mithilfe bei Anschlägen zu einer mehrfach lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde, beauftragte seine Frau Fadwa in der Nacht zum Donnerstag, eine neue Liste unter dem Namen „Die Zukunft“ registrieren zu lassen. Die Anmeldungsfrist lief um Mitternacht aus.

Grund für den Schritt Barghutis war der Konflikt mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der sich dazu verpflichtet hatte, die parteiinterne Kandidatenwahl zu respektieren, dann aber doch von ihm bevorzugte Politiker auf die Liste setzte. Anstelle von Marwan Barghuti, der die meisten Stimmen bekommen hatte, nominierte Abbas über den Umweg des Zentralrats der Partei Premierminister Ahmed Kurei als Spitzenkandidaten. Dieser trat gestern von seinem Amt zurück, da er laut Wahlgesetz sonst nicht kandidieren kann.

Abbas agiert als Präsident des Fatah-Zentralrats, der erst vor zwei Wochen über ein ebenfalls von ihm selbst geleitetes Komitee über die endgültige Kandidatenliste entschied. Dieses Komitee soll außerdem die Wahlvorbereitungen, die Wahlkampfagenda, die Finanzierung und die Medienkontakte koordinieren sowie eine Untersuchung der gewalttätigen Zwischenfälle unter Parteimitgliedern einleiten.

Zu den bislang schlimmsten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fatah-Gruppen kam es am Mittwoch in Gaza, als eine Gruppe von bewaffneten und maskierten Männern die Zentrale der Partei besetzte. Dabei wurden drei Menschen angeschossen. Die Kandidatenwahlen waren wiederholt von Auseinandersetzungen begleitet worden. Abbas nahm dies als Vorwand, die Ergebnisse für ungültig zu erklären.

„Wichtig ist, dass wir eine Liste aufstellen, die den Meinungsumfragen entspricht“, begründete der Palästinenserpräsident vor dem Zentralrat. Doch Barghuti steht, entsprechend letzten Umfragen des unabhängigen Jerusalemer Medienzentrums (JMCC) über vertrauenswürdige Politiker, auf Platz zwei hinter Abbas, während Kurei es nur auf den elften Platz schaffte.

Der Streit zwischen den Gründervätern der Partei und dem Nachwuchs veranlasste auch den bislang Abbas-treuen Mohammad Dahlan, ehemals Sicherheitschef im Gaza-Streifen, sich der Liste Barghutis anzuschließen. Auch der Nationale Sicherheitsberater Jibril Rajoub steht auf der Liste der „Zukunft“. Zentraler Konfliktpunkt ist die von der jungen Riege geforderte Reform der Partei, vor allem das Abhalten überfälliger Vorstandswahlen in den Parteigremien. Zudem geht es inhaltlich um die Frage, ob die Fatah eine rein politische Partei oder immer noch eine Widerstandsbewegung ist.

Das zu klären, dürfte auch für die neue Liste keine leichte Aufgabe sein. Barghuti selbst strebt eine Zweistaatenlösung und eine friedliche Koexistenz mit Israel an, unterstützte jedoch gleichzeitig den gewaltsamen Widerstand gegen die Besatzung. Damit genießt er große Popularität unter den Fatah-Schabiba, dem Parteinachwuchs, der während der Intifada gegen die Soldaten demonstrierte und aus dessen Reihen sich später die bewaffneten Al-Aksa-Brigaden bildeten. Dahlan und Rajoub hingegen machen sich für eine diplomatische Lösung mit Israel stark und treten dafür ein, die Aufständischen in den eigenen Reihen unter Kontrolle zu bringen.

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