piwik no script img

Hassprediger mit Heiligenschein

Irans Präsident Ahmadinedschad fühlt sich als Werkzeug des Mahdi, des islamischen Messias. Er schürt Ängste, um von seinem Versagen abzulenken

„Mir kam der verborgene Imam zu Hilfe. Mich umgab ein Heiligenschein. Im Saal hörten mir alle gebannt zu“

von BAHMAN NIRUMAND

„Stellt euch vor, als ich neben dem saudischen König stand, waren hunderte von Kameras auf mich gerichtet“, berichtete Mahmud Ahmadinedschad mit kindlicher Freude nach seiner Rückkehr vom Islamischen Gipfel in Mekka. „Auf der Konferenz war ich eindeutig die Hauptperson.“

Ahmadinedschad war einer von Millionen, die in der Schah-Zeit ihr Leben im Elend verbrachten, einem Elend, das ihnen nicht einmal erlaubte, von einem besseren Leben, vom sozialen Aufstieg, zu träumen. Doch eines Tages erschien, wie aus heiterem Himmel, ein Retter, ein Turban tragender Greis mit einem Koran in der Hand. Er erklärte den Palästen den Krieg, versprach Gerechtigkeit und forderte die „Barfüßigen und Habenichtse“ auf, ihm zu folgen. Sie folgten ihm, vergötterten ihn, waren bereit, für ihn zu sterben. Jeden Abend, wenn der Mond aufging, sahen sie darin sein Antlitz. „Du bist meine Seele, Chomeini!“, riefen sie ihm zu. Sie stellten sich mit nackter Brust vor die Panzer des Schahs, ohne den Tod zu fürchten. Märtyrer kämen ins Paradies, hatte der Greis gesagt.

Ahmadinedschad zog bald, wie viele andere, in den Krieg gegen Irak, der acht Jahre dauerte. Er hatte Glück und kam heil davon. Als Chomeini starb, suchte er Zuflucht beim Mahdi, dem zwölften Nachfolger Mohammeds, des islamischen Messias, der, wie es in der Überlieferung heißt, mit jungen Jahren verschwunden war und eines Tages wieder auftauchen wird, um auf Erden Gerechtigkeit walten zu lassen.

In Ahmadinedschads Weltbild existieren nur Freunde und Feinde. Das Lager des Islam werde umzingelt vom dekadenten Westen, von Oppositionellen, sogar von jenen, die den Islam reformieren wollen, meint er. Sie müssen bis zur Vernichtung bekämpft werden.

Dass der heute 49-Jährige einmal Staatspräsident werden würde, hat er sicherlich nicht einmal im Traum geglaubt. „Es war Mahdi, der verborgene Imam, der mich dazu berufen hat“, sagt er. Seitdem bittet er bei jedem großen Schritt den Imam um Beistand, zum Beispiel bei der UN-Vollversammlung im September. Außerhalb des Saals habe ihn kaum jemand wahrgenommen, berichtete er im Kabinett. „Da kam mir der verborgene Imam zu Hilfe. In dem Augenblick, als ich den Saal betrat, umgab mich plötzlich ein Heiligenschein. All die Staatshäupter, die da saßen, erstarrten vor Erstaunen. Ich redete eine halbe Stunde lang, und während der ganzen Zeit hörten mir alle gebannt zu, nicht ein einziger zuckte mit der Wimper.“

Ahmadinedschad hat kein Wissen, keine Erfahrung, weder in der Außen-, noch in der Innenpolitik. Er kann sich nur auf populistische Parolen stützen und hofft, damit die, die ihn gewählt haben, bei der Stange zu halten. Er stellt Feindbilder auf, erzeugt Ängste, schürt Hass. Er reist von Stadt zur Stadt, versammelt seine ehemaligen Kampfgefährten und all jene, die um ihre Existenz bangen. Er bezeichnet die Vorgängerregierungen als korrupt und die Reformer als Lakaien des Westens, die das Land ins Verderben geführt haben, Grund genug, um erfahrene Fachleute zu feuern und hohe Ämter mit seinen ahnungslosen Freunden und Verwandten zu besetzen. Sieben Direktoren staatlicher Banken wurden ohne Vorwarnung über Nacht entlassen, vierzig Botschafter abberufen. Ein 26-Jähriger soll der Teheraner Börse, die seit Monaten daniederliegt, aufhelfen. Die meisten Mitglieder des Kabinetts bestehen aus ehemaligen Revolutionswächtern und Geheimdienstlern. Erst sein vierter Kandidat als Ölminister wurde vom Parlament bestätigt. Die Wirtschaft ist stark verunsichert, viele Unternehmer schaffen ihr Kapital ins Ausland.

Außenpolitisch hat der neue Präsident viel Porzellan zerschlagen. Im Atomstreit ging er auf Konfrontationskurs, dann attackierte er Israel. Hätte man im Westen nicht sofort so empört reagiert, hätten sich seine Worte in Luft aufgelöst. Die Proteste stellten ihn mit einem Schlag ins Rampenlicht. Er durfte sich als Held fühlen, als einer, der es wagt, der Supermacht USA und dem mächtigsten Staat im Nahen Osten, Israel, die Stirn zu bieten, der den vertriebenen Palästinensern zur Seite steht und die Fahne des Islam hochhält. Was für ein Glück für ihn, dass man ihm diese Rolle zubilligte. Nun kann er seine Hausmacht ausbauen und von dem Chaos, das er angerichtet hat, ablenken.

Die überwiegende Mehrheit im Iran hat für ihn nur Spott übrig. „Wenigstens hat er sich, seitdem er zur Berühmtheit gelangt ist, einen neuen Anzug gekauft“, sagt man. Von dem Gespött merkt er nichts. Er ist berauscht von dem ungeheuren Echo im Ausland auf seine Reden und dem Jubel seiner Anhänger. Kein Wunder, dass er nachlegt. Erst wollte er Israel von der Weltkarte tilgen, dann leugnete er den Holocaust und forderte die Übersiedlung Israels nach Europa. Mit jeder Attacke richten sich noch mehr Kameras auf ihn. Wundert sich jemand, dass der Mann, bis vor kurzem ein Nobody, übergeschnappt ist?

Die Konservativen, die mit der Wahl Ahmadinedschads die Hoffnung hegten, die gesamte Macht monopolisieren zu können, haben längst gemerkt, dass der Mann untragbar ist. Sie lassen ihn ins Messer laufen. Gerüchte besagen, dass sie bereits seinen Sturz vorbereiten. Aber im Ausland nimmt man ihn ernst. Und gerade das macht seine Attacken zu einer ernsten Gefahr. Nicht für Israel. Jeder, der sich einigermaßen im Iran auskennt, wird bestätigen, dass das Land weder gewillt noch in der Lage ist, Israel anzugreifen. Die Gefahr besteht vielmehr darin, dass die Äußerungen Ahmadinedschads fugenlos in die Strategie der USA passen. Die USA haben nach eigenem Bekunden die Absicht, den Iran zu isolieren und, wenn es sein muss, dort durch eine militärische Intervention einen Regimewechsel herbeizuführen. Wer könnte für diesen Kurs besser werben als Ahmadinedschad? Wenn es ihn nicht gäbe, hätten die USA ihn erfinden müssen. Auch in Israel reifen die Pläne für einen Präventivschlag gegen Iran. In diesem Fall hätte Ahmadineschad die Massen auf seiner Seite, er würde sich ins Fäustchen lachen. Für Iran und für die gesamte Region wären die Folgen verheerend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen