Billigflieger-Boom: Ein vergiftetes Geschenk
Flughafenchef Johannsen-Roth schwärmt wie ein Kind, das sein Wunschgeschenk unterm Weihnachtsbaum findet. Die Billigflieger haben seinem Sorgenkind, dem Flughafen Schönefeld, auch in diesem Jahr wieder einen traumhaften Zuwachs bei den Passagierzahlen beschert. Keine Frage, die Low-Cost-Airlines nutzen Berlin: Sie bringen Touristen in die Stadt, die hier Geld ausgeben. Und ein brummender Flughafen schafft Arbeitsplätze. Eines sagt der Flughafenchef aber nicht: Der Billigflieger-Rausch ist ein vergiftetes Geschenk.
Kommentar von ULRICH SCHULTE
Da ist zum einen die Tatsache, dass billige Kurzflüge ökologischer Wahnsinn sind. Beim Start und bei der Landung verbrennt ein Jet den Großteil seiner Kerosinlast, zudem ist der Schadstoffausstoß des Flugzeugs (umgerechnet auf den einzelnen Passagier) unschlagbar hoch. Ein Vergleich: Wer von Berlin nach Düsseldorf fliegt, verbraucht dreimal so viel Energie und produziert dreimal so viele Abgase wie ein Bahnreisender. Solche Rechnungen sind den Flughäfen herzlich egal.
Doch auch wirtschaftlich begeben sie sich auf brüchiges Eis, wenn sie voll auf billig setzen. Das Low-Cost-Geschäft wird sich in den nächsten Jahren einpendeln, die Zeiten sprunghafter Zuwächse sind vorbei. Zudem schwebt über Air Berlin, Easyjet und Co. immer noch der bedrohliche Schatten einer Kerosinsteuer. Sie würde Billigflieger hart treffen, weil der Treibstoffanteil an ihren Betriebskosten mit gut einem Fünftel besonders hoch ist. Die Bundesregierung zaudert aber, in Deutschland den Flugzeugsprit zu besteuern – aus Angst um den Wirtschaftsstandort. Zumindest in dieser Hinsicht braucht sich Flughafenchef Johannsen-Roth in naher Zukunft keine Sorgen um seine Lieblingskinder machen – was bedauerlich ist.
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