: Sind Smartphones toll?JA
ERREICHBARKEIT Mit iPhone, Blackberry oder Googlephone hat man das Internet dabei – immer und überall
Boris Palmer, 37, grüner Oberbürgermeister von Tübingen und Kühlschrankgegner
Die Informationsunfähigkeit der Deutschen Bahn lässt mich seit sechs Monaten völlig kalt. Wenn andere noch auf Züge warten, die nie ankommen, bin ich schon auf anderen Wegen zum Ziel oder sitze im Café und arbeite meine E-Mails ab. Dank Cem Özdemir und seinem Rat ein iPhone anzuschaffen. Warum das iPhone mehr über Zugverspätungen weiß als die DB-Mitarbeiter im jeweiligen Bahnhof oder Zug, verstehe ich zwar nicht, aber deshalb ist es ja auch ein Smartphone.
Jetzt kann ich mitreden. Der frühere französische Bildungsminister Luc Ferry legte sein iPhone vor dem Abendessen in Tübingen zwischen Messer und Gabel. Er nahm meines zur Hand, schnippte über nur drei Bildschirme mit Apps und sagte: „Anfänger, so wenig!“ Ich bin eben Schwabe und lade nur kostenlose Programme. Aber die machen glücklich. Jeden Abend den Kontostand ansehen und einmal täglich über Tübingen fliegen – fast CO2-frei. Auf einen Kühlschrank kann ich gut verzichten, das iPhone ist überlebensnotwendig. Wie konnte ich ohne eins leben?
Markus Beckedahl, 33, ist Aktivist und Gründer des Blogs netzpolitik.org
Ich finde das Smartphone super, es erleichtert mein Leben. Ich habe das Internet immer dabei, meinen Computer in der Hosentasche. Kritisch sehe ich die Vorratsdatenspeicherung, denn wenn ich Internet nutze, wird dadurch meine Geolocation, also der Ort, an dem ich mich befinde, gesendet und gespeichert. Und nicht nur das, auch alle Betreiber, wie Apple, wie Google senden wiederum diese Daten – ob anonymisiert oder nicht – an zentrale Server in den USA. Dabei wäre es technisch gar kein Problem, das Smartphone datenschutzfreundlich zu machen. Das Internet gehört zu meinem Arbeits- und Freizeitleben, die auch immer mehr miteinander verschmelzen. Das Smartphone kann eine Versuchung sein, aber man ist nur so weit abhängig, wie man sich abhängig macht.
Steffi Jones, 37, Fußballweltmeisterin, leitet das Organisationskomitee WM 2011
Ich bin ein echter Fan von Smartphones! Ich nutze meines regelmäßig, da ich viel unterwegs bin und so mit Freunden und meiner Familie in Kontakt bleiben kann. Besonders schätze ich an Smartphones, dass ich zu Hause oder auf Reisen mal eben schnell ins Internet gehen kann, um etwa die aktuellen Fußballergebnisse zu checken oder mir ein paar Szenen anzuschauen. Darüber hinaus nutze ich mein Smartphone, um Musik zu hören, manchmal auch um Fotos zu machen oder mir Videos von YouTube herunterzuladen. Außerdem ist es „hip“, und ich mag schöne und moderne Dinge!
Jörn Kabisch, 39, stellvertretender Chefredakteur von Der Freitag und Freitag.de
Als ich mein erstes Schweizer Taschenmesser bekam, habe ich so lange damit herumgespielt, bis es kaputtging. Trotzdem wandert so ein Klappmesser für den Urlaub bis heute mit in den Koffer: Man weiß ja nie, ob Pinzette, Korkenzieher oder Lupe nicht doch nützlich sein können. Ehrlich gesagt habe ich das Gerät und seine vielen Funktionen noch nie gebraucht, aber macht das was? Mit dem Smartphone ist es so ähnlich: Da hat man Wasserwaage, Taschenlampe, Musikerkennung. Lauter Werkzeuge für den Ausflug in den urbanen Dschungel. Und natürlich x Kommunikationsmöglichkeiten. Am Anfang habe ich damit herumgespielt. Viel, oft, dauernd – irgendwann wurde es zu viel. Die Aufmerksamkeit für die analoge Welt ging kaputt. Ich musste etwas ändern. Das iPhone brachte mir bei, was ich mit Handy und Laptop nicht geschafft hatte: bewusst offline zu gehen. Heute schaue ich nicht dauernd nach Mails und frage Leute wieder nach dem Weg. Ich mag mein iPhone, weil es so nützlich wie überflüssig ist. Man weiß ja nie.
Nein
Björn Engholm, 70, früherer SPD-Chef und Ministerpräsident Schleswig-Holsteins
Ich bin Klassiker. Handy zum Telefonieren, Computer zum googeln. Ich lass auch das Handy gern einmal zu Hause. Wenn ich heute mit dem Zug reise, sitzen im Großraumabteil zwanzig Leute und hacken in ihre Computer. Daneben liegt ein Blackberry, manche haben Headphones obendrauf. Und ich bin der Einzige, der Wein trinkt. Ich sehe, wie gestresst die Nachbarn sind. Sie machen’s ja nicht wirklich gerne, sie sind Teil einer Maschinerie. Sie verlagern ihre Tätigkeit bis in die Freizeit hinein . Ein Konkurrenzkampf, der nicht aufhört. Manchmal überzeuge ich einen der Mitreisenden im Zug, die Headphones abzunehmen, das Ding zuzuklappen und einen anständigen Weißburgunder zu trinken. Dann blühen diese Leute auf. Sie werden persönlich.
André Bitter, 45, Fotograf und iPhone-Besitzer, hat die sonntazfrage auf taz.de kommentiert
Smartphones sind ein weiteres Zeitgeist-Gadget, dem Anschein nach sehr nützlich, mit potentieller Suchtgefahr. Gut für die Chefs dieser Welt. Ein anderer Gesichtspunkt: Smartphones können auch Spyphones sein. All die Apps verraten den Entwicklern und Betreibern viel über den Nutzer, dessen Größe, Gewicht bis zur kompletten Lokalisierung. Daher ist der größte Weltdatensammler Google auch so scharf darauf, ein eigenes Smartphone auf den Markt zu bringen. Nur bisher möchten die Kunden kein Google-Phone. Aber Google lässt sich bestimmt etwas einfallen. Goggle Apps gibt es ja schon reichlich. Ich selbst hab ein iPhone und es fängt an zu nerven. Ich ertappe mich, wie ich viel zu oft schaue, ob neue Mails eingegangen sind. Wenn ich mich auf Bahnhöfen, Flughäfen, ja selbst auf Partys umschaue, sehe ich nur gebeugte Köpfe und ich gehöre dazu. Das nervt und macht auf Dauer Kopfschmerzen, zum Glück kann ich mich an die smarte Zeit vor dem iPhone erinnern. Den Blick offen geradeaus, bereit, Neues zu entdecken.
Björn Husmann, 46, Psycholog. Psychotherapeut, Vize-Chef der Gesellschaft f. Entspannungsverfahren
iPhones & Co können zwar als therapeutisches Hilfsmittel etwa bei Krisengefahr nützlich sein, aber es gibt auch ernste Hinweise für durch sie provozierte neuropsychologische Veränderungen. Ich finde sie aber vor allem deshalb nicht toll, weil sie die Achtsamkeit oft stark untergraben. Zum Beispiel tönte während einer emotional sehr bewegten Sitzung ein Handy, der Patient verließ wie auf Autopilot das Gespräch, nahm ab und schaltete auf „Business“. Andere Patienten wehren mit den Geräten schwierige Gefühle ab, „phonen“ wie getrieben direkt nach der Sitzung, weil sie anders kaum Spannung aushalten können, oder trennen sich per SMS. Manche überhöhen sie zu Statussymbolen. Einige weigern sich fast, sie für eine Sitzung abzuschalten, da sie eine Art „Zwang“ entwickelt haben, das Display kontrollieren zu müssen. Sie haben wirkliche Ängste, etwas zu verpassen, und werden wie Süchtige ohne Verbindung unruhig und unkonzentriert. Zum Umgang empfehle ich Paracelsus: Die Dosis macht, ob ein Ding kein Gift ist.
Jens Schlegel, 30, Lehrer, besaß noch nie ein Handy. Er hat den Beitrag auf taz.de gestellt
Ich gehöre zu den wenigen, die noch nicht mal ein Handy besitzen. Das macht mich nicht besser, aber ich muss doch immer wieder den Kopf schütteln, wenn ich in U- und S-Bahn immer mehr Menschen sehe, die sich über das Telefon Filme ansehen, spielen, Musik hören. Insgesamt hat dieses Medium Handy die Gesellschaft derart beeinflusst, dass Kommunikation weniger wurde. Und hier meine ich natürlich die direkte Kommunikation. Zehn SMS, um klarzukriegen, wann man sich wo trifft, wäre auch in wenigen Sätzen direkt am Telefon gegangen, man erkennt dann auch recht zuverlässig, in welcher Stimmung der Andere ist.
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