Der Erwählte

Verteidigung: Mahmud Ahmadinedschad. Mahdi hilf!

Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad sieht das islamische Lager von lauter Feinden bedroht, von westlicher Dekadenz, von den USA, von Europa und Israel, aber auch von den Reformern und Andersdenkenden im eigenen Land. Sie alle spielen gegen ihn, versuchen, den Gottesstaat vom rechten Weg abzubringen, ins Abseits und Verderben zu führen, meint er. Daher sei er von keinem Geringeren als Imam Mahdi, dem Messias der Schiiten, dazu auserwählt worden, den Islam zu verteidigen und seine Werte aufrechtzuerhalten. Im neuen Jahr will er losholzen. Schon am 16. Januar sollen die Atomverhandlungen mit den ungläubigen Europäern fortgesetzt werden.

In der Weltelf 2006 ist er als Verteidiger eingesetzt, aber er glaubt, dass der Angriff die beste Form der Verteidigung ist. Er fordert noch einmal die Umsiedlung Israels nach Europa, „Bayern den Juden“, rufen am Rand des Spielfelds seine Anhänger, die barfüßigen und Habenichtse, die ihn zum Präsidenten gewählt haben. Unruhig rennt er hin und her, bekommt aber keinen Ball. Schaltet ruhig den Sicherheitsrat ein, ruft er mit geballter Faust, beschließt Sanktionen gegen uns. Das juckt uns nicht. Wir werden euch den Ölhahn zudrehen und die Scharen unserer lebenden Märtyrer in die ganze Region und in eure Länder schicken. Und solltet ihr es doch wagen, unser Land militärisch anzugreifen, dann werden wir die Bombe, die wir natürlich längst geplant haben, doch noch bauen. Fürchtet euch nicht, ruft er seinen Anhängen zu. Mahdi ist mit uns. Das wissen auch unsere Gegner. Sie haben den Heiligenschein gesehen, der mich umgab, als ich auf der UN-Vollversammlung auftrat. Erstarrt vor Verwunderung hörten sie mir gebannt zu. Während meiner ganzen Rede zuckte keiner mit der Wimper.

Rechts auf der Ehrentribüne sitzen die turbantragenden grauen Eminenzen des Gottesstaates und runzeln immer mehr die Stirn. Auch dem Schiedsrichter reichen Ahmadinedschads Faxen langsam. Er rennt zu ihm, hält ihm die rote Karte vors Gesicht. Der auserwählte Verteidiger des Islam muss das Spielfeld verlassen. Er schaut mit Augen voller Tränen zum Himmel und sagt: Mahdi, warum hast du mich verlassen?

Dennoch, an Ahmadinedschad, dem Mann mit der Blutgrätsche, wird dieses Jahr niemand vorbeikommen.

BAHMAN NIRUMAND