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LOHNPOLITIK: PROBLEMATISCHE VORSCHLÄGE ZUR JAHRESWENDEArbeitnehmer als Heuschrecken

Während Kanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache betont, dass „vielen sehr viel abverlangt wird“, hat Bundespräsident Köhler, der bislang ganz düster malte, zum Jahresausklang die Nation mit Vorschlägen verblüfft, die mehr Geld in die Taschen der Arbeitnehmer bringen sollen. Der Bundespräsident unterstützt die alte Kampfforderung der Gewerkschaften nach Produktivvermögen in Arbeitnehmerhand und denkt über „eine Art Grundeinkommen“ nach. Hört sich gut an, hat aber auch sozialpolitisch bedenkliche Seiten.

Beteiligung am Produktivvermögen heißt, dass Arbeitnehmer Anteile an dem Unternehmen erwerben, in dem sie beschäftigt sind. Also: Wenn sie arbeitslos werden, sinkt auch noch der Wert ihres Vermögens. Denn nur bei wenigen Unternehmen steigt der Aktienkurs nach Entlassungen. Und die Altersvorsorge wird unverantwortlich unsicher, wenn man nur Ansprüche an ein einziges Unternehmen hat. Der Bundespräsident hat im Grundsatz Recht: Zur Absicherung von Risiken sollten auch Arbeitnehmer Aktien erwerben. Aber sie sollten breit gestreut sein. Deswegen ist zum Beispiel die kapitalgedeckte Riester-Rente viel sinnvoller als der Besitz am „eigenen“ Unternehmen.

Und wenn die Arbeitnehmer die Aktienmehrheit haben, ist das problematisch. Das wird bei der von Horst Köhler ebenfalls ins Gespräch gebrachten „Ertragsbeteiligung“ besonders deutlich. Diese bedeutet, dass ein Teil des jährlichen Einkommens vom ausgewiesenen Gewinn des Unternehmens abhängt. Kurzfristig kann das Arbeitsplätze sichern, da bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Arbeitskosten sinken. Aber in guten Zeiten wollen Arbeitnehmer dann – völlig zu Recht – umso kräftiger zulangen. Im schlimmsten Falle verhalten sie sich sogar wie die viel zitierten Heuschrecken: Sie wollen kurzfristig hohe Gewinne ausweisen, auch wenn die Kapitalbasis dadurch ausgesaugt wird.

Viel wichtiger als die Beteiligungsvorschläge ist die Idee eines Grundeinkommens mittels Kombilohn. Es kann Arbeitslosigkeit senken. Hier steckt der Teufel freilich im Detail. Ein Kombilohn sollte die Anreize beseitigen, sozialversicherungspflichtige Jobs in 400-Euro-Jobs umzuwandeln. Das geht nur, wenn man massive Steuerzuschüsse gibt, und umso leichter, je mehr man die Sozialhilfe absenkt, die an erwerbsfähige, aber nicht erwerbstätige Sozialhilfeempfänger geht.

Ein Kombilohn ist also alles andere als eine sozialpolitische Wohltat. Die Debatte um Arbeitslosigkeit und ökonomische Ungleichheit ist zum Jahreswechsel zwar nicht weitergekommen, aber immerhin wurde der Kombilohn auf die Reform-Agenda gesetzt. GERT G. WAGNER

Der Autor ist Forschungsdirektor des DIW in Berlin

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