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Die faulen Früchte des Friedens

Die Erfolgschancen von Kongos Friedensprozess sind äußerst gering. Aber es gibt sie – wenn man sich von der Fixierung auf Wahlen löst. Denn Wahlen bewirken keine Wunder

Eventuell sind die Wahlvorbereitungen nur Theater, mit dem Volk in der Rolle des Clowns

Die Demokratische Republik Kongo verdankt ihre Existenz einem einzigen Menschen: Belgiens König Leopold II. Vor hundert Jahren schnitt er sich ein riesiges Stück aus dem Herzen Afrikas als Privatland und deklarierte es zur Freihandelszone, in der jeder machen konnte, was er wollte. Gigantische Landstriche wurden per Privatkonzessionen vergeben. Der Kongo entstand nicht als Staat, sondern als Privatbesitz, eine „Freiplünderzone“.

Die Belgier plünderten Kongo im Namen der „Zivilisation“, Diktator Mobutu im Namen der „afrikanischen Authentizität“, seine diversen Nachfolger im Namen der „Kriegslast“ und das kongolesische Volk im Namen des Überlebens. Denn: Wenn ich nicht selbst das Obst vom Baum vor meiner Hütte pflücke und esse, tut es jemand anders.

Nach Jahren des Krieges soll Kongo nun wieder aufgebaut werden. Doch es ist fast unmöglich, ein Land mit derselben Methode aufzubauen, mit der man es ruiniert hat. Die Hürden zum Frieden sind hoch.

Gut bewaffnete und kampferfahrene fremde Armeen und Milizen leben in den Wäldern und Bergen Ostkongos. Versuche regulärer Armeen – des Kongo, der Nachbarländer, der UNO – sie unschädlich zu machen, haben die erhoffte Wirkung nicht gezeigt. Die unkontrollierten Armeen zerstören, terrorisieren, vergewaltigen, morden und stehlen weiter und halten den Ostkongo im Zustand eines schlummernden Vulkans, der jederzeit die Region in Brand setzen kann.

Dass eine nationale kongolesische Armee Ordnung und Souveränität auf dem gesamten Staatsgebiet verteidigt, bleibt ein frommer Wunsch. Die Lebensbedingungen in den Militärlagern der neuen Armee, wo aus den früheren Bürgerkriegskämpfern neue Regierungssoldaten werden, sind unmenschlich. Hungrige Soldaten desertieren, andere sterben an Cholera. Bürgerkriegskämpfer, die einst zur Verteidigung ihrer Familien und Heimat gegen rivalisierende Armeen angeheuert wurden, lassen sich ungern in weit entfernte Landesteile schicken, wenn in ihrer Heimat kein Frieden herrscht. Immer mehr Einheiten unterschiedlichen Ursprungs gehen im Ostkongo auf Distanz zur Armeeführung und verbreiten dadurch neue Unsicherheit.

Kongo geht also 2006 in ein Wahljahr, während autonome bewaffnete Gruppen eine große Anzahl von Territorien kontrollieren. Wie soll da eine gewählte Regierung ihre Autorität auf das gesamte Staatsgebiet ausdehnen? Solange das Gewehr den schnellsten Weg an die Macht im Kongo darstellt, können die Wahlen keine Wunder bewirken, sondern die kleinste Streiterei wird bewaffneten Gruppen neue Chancen liefern.

Die internationale Gemeinschaft weiß, dass sie in diesem kongolesischen Sumpf zu versinken droht. Sie sucht einen Ausweg. Das UN-Mandat läuft im September aus; und Wahlen und die Einsetzung einer gewählten Regierung im Juni wären ein gutes Vorspiel zum Abzug. Wenn die Wahlergebnisse jedoch umstritten sind, droht Chaos. Schon rufen manche internationalen Stimmen zum Rückzug aus dem Kongo nach dem 30. Juni 2006 auf. Sie distanzieren sich vorsorglich, indem sie die Institutionen der Übergangsregierung kritisieren. Kongos politische Akteure beobachten das sehr genau. Sie wissen: Wenn die internationale Gemeinschaft sich zurückzieht und fragile Institutionen hinterlässt, die sich mangels Armee nicht selbst verteidigen können, droht erneut Krieg.

In diesem Zusammenhang macht die neue Verfassung des Kongo Hoffnung, die am 18. Dezember per Volksabstimmung angenommen wurde. Die Verfassung sieht gewählte Provinzparlamente vor, die eigene Provinzregierungen wählen. Diese wiederum verfügen über 40 Prozent der auf ihrem Gebiet erwirtschafteten Staatseinnahmen. Die Bevölkerungsgruppen des Kongo sollten diese Chance ergreifen. Provinzregierungen mit gemeinsam getragenen Zielen aller unterschiedlichen Interessen in der jeweiligen Provinz sind die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau des Kongo.

Worauf also können wir hoffen in den nächsten fünf Jahren?

Das erste Szenario ist das Burundi-Szenario. Dort übernahm letztes Jahr nach einer langen Zeit des Krieges und der Massaker eine gewählte Regierung die Macht. Und ihre Chancen stehen gut. Dieser Erfolg gibt vielen Kongolesen Hoffnung, und immer mehr Kongolesen besuchen Burundi, um herauszufinden, worin das Geheimnis dieses Erfolges liegt. Es liegt in einer neuen Generation von Burundern, die die Vergangenheit überwinden will, die die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung ernst nimmt und in Verhandlungen Pragmatismus an den Tag legt.

Die internationale Gemeinschaft scheint es ehrlich zu meinen, wenn sie sich wünscht, dass auch im Kongo ab Juni 2006 eine gewählte Regierung das Land zum Frieden führt. Doch zugleich geriert sich die internationale Gemeinschaft als Beschützer der amtierenden Herrscher trotz ihrer vielen Unzulänglichkeiten. Einerseits verspricht sie Erfolg – andererseits scheint sie daran zu zweifeln, dass die menschlichen Ressourcen dafür überhaupt vorhanden sind.

So rückt ein zweites Szenario ins Blickfeld: Eine neue Machtteilung, damit niemand aus den Wahlen als Verlierer hervorgeht. Aber wenn das Ergebnis der Wahlen so aussieht, waren all die elaborierten Vorbereitungen – Wählerregistrierung, Volksabstimmung, Wahlkampf, Wahlgang – nur Theater, mit dem Volk in der Rolle des Clowns. Dann würde sich erst recht Enttäuschung und Wut breit machen.

Die internationale Gemeinschaft weiß, dass sie im kongole-sischen Sumpf zu versinken droht

Ein Ausweg wäre, den Wahlkalender zu verändern. Statt Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sollten an erster Stelle die Bedürfnisse der Menschen stehen und mit ihnen die Kommunal- und Provinzwahlen. Das würde neue Institutionen hervorbringen, die dem Volk näher sind als die alten.

Wenn das alles nicht funktioniert, droht ein drittes Szenario: allmähliche Fragmentierung des Landes. Kongos Krise im letzten Jahrzehnt war durch drei Innovationen gekennzeichnet: das Mobiltelefon, das Antonov-Frachtflugzeug, der leichte Zugang zu leichten Waffen. Mit diesen drei Machtmitteln – Kommunikation, Verkehrsverbindungen und Zugang zu militärischen Mitteln der Kontrolle – kann man problemlos dem Zentralstaat ganze Territorien entziehen, und das mit Hilfe von Handelsrouten nach außen festigen. Sollte der Kongo keine rechtsstaatlichen Institutionen hervorbringen, die Respekt genießen, dürfte er sich in ein loses Netz fragmentierter Handelsposten verwandeln.

Denn die tieferen Gründe der kongolesischen Krise sind noch intakt. Das Land bleibt wie früher eine „Freiplünderzone“. Die internationale Gemeinschaft kann bestehende Institutionen stärken, sie aber nicht vollkommen neu aufbauen. Eine bessere Zukunft für den Kongo kommt weder von außen noch von einem gewählten Präsidenten. Sie hängt von der Fähigkeit engagierter Menschen ab, miteinander bessere Regierungssysteme von unten aufzubauen.

ALOYS TEGERA

Aus dem Französischen übersetzt von Dominic Johnson

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