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Die Kunst des Privaten

SAMMLUNGEN Mit spektakulären Aktionen, mit eigenen Ausstellungsräumen und dem Erwerb teurer zeitgenössischer Werke demonstrieren Sammler ihre Potenz – auch in Berlin. Staatliche Kunstmuseen und Ausstellungshäuser geraten dabei längst ins Hintertreffen

Die Privaten brauchen das Museum als Weihestätte und Veredelungsbetrieb nicht mehr

VON RONALD BERG

Die Szene erinnerte an den harten Steckrübenwinter von 1916/17, als man für Lebensmittel anstehen musste: Aberhunderte standen an einem eisigen Apriltag auf der Straße Unter den Linden, viele mit Gemälden unterm Arm. Die Menschenschlange erreichte mehrere hundert Meter. Ihr Ziel: das eigene Werk in der neuen Kunsthalle der Deutschen Bank zu zeigen.

Die Deutsche Bank und das Guggenheim Museum hatten 15 Jahre lang gemeinsam ein Ausstellungshaus für moderne Kunst betrieben. Seit April macht die Deutsche Bank alleine weiter. Damit das auch alle bemerken, hat sich Friedhelm Hütte, Leiter der Kunstsammlung der Bank, noch einen Knaller einfallen lassen. Jeder, der wollte, sollte in den Räumen der neuen Kunsthalle der Bank ausstellen dürfen.

Die Berliner Politik hat die Idee einer neuen staatlichen Kunsthalle vor kurzem beerdigt. Übernimmt ein Privatunternehmen wie die Deutsche Bank inzwischen die Aufgaben, die bisher öffentlichen Institutionen oblag? Dass eine Bank eine Kunsthalle betreibt, ist nicht gerade Teil ihres Kerngeschäfts. Aber überraschend ist es auch nicht.

Kunstsinnige Privatunternehmen beschränken sich schon lange nicht mehr auf das klassische Sponsoring von Kunst. Daimler Contemporary etwa betreibt am Potsdamer Platz Ausstellungsräume für zeitgenössische Kunst. Ausgehend von der Unternehmenssammlung des Autokonzerns mit rund 2.000 Werken von 700 deutschen und internationalen Künstlern werden hier seit 1999 hochkarätige Ausstellung in Sachen konkreter, abstrakter und konzeptueller Kunst auf musealem Niveau gezeigt – bei freiem Eintritt für jedermann.

Platzhirsch in Berlin ist aber die Deutsche Bank. Rund 60.000 Kunstwerke zählt ihre Sammlung heute. Mit Bedacht hat man sich seit 1979 auf Arbeiten auf Papier konzentriert, weil man die vergleichsweise preisgünstige Papierware en gros erwerben kann. Sie soll in erster Linie die Filialen und Büros der Bank rund um den Globus schmücken. Aber dann kam noch ein anderer Gedanke hinzu: „Der Banken Nähe zur bildenden Kunst ist wesensmäßig“, formulierte Hilmar Kopper während seiner Zeit als Sprecher des Deutsche-Bank-Vorstands in den neunziger Jahren. Zur Eröffnung der Unternehmenszentrale in Frankfurt 1985 spielte die Kunst in der Ausstattung der beiden fast 40 Stockwerke hohen Zwillingstürme eine zentrale Rolle. Jede Etage war einem zeitgenössischem deutschsprachigen Künstler vorbehalten. Ganz oben rangierten Beuys und Horst Antes.

Warum aber diese demonstrative Besetzung der Bankzentrale mit zeitgenössischer Kunst? Zum einen als Ausweis von Kultur und Status. „Eine Bank, die reich ist an Bildern, ist auch sonst reich“, brachte es Kopper auf den Punkt. Die wesensmäßige Verwandtschaft zur zeitgenössischen Kunst besteht aber in etwas anderem: Die heute gesuchten Managementqualitäten spiegeln sich in den Eigenschaften von Kunst und Künstlern. Als da wären: Kreativität, Mut, Originalität, Risikobereitschaft, Intelligenz, Sensibilität, Offenheit, Entschiedenheit usw. All diese Qualitäten teilen Künstler und Unternehmensführer. Kein Wunder, dass zeitgenössische Kunst das bevorzugte Medium der Selbstdarstellung von Bank und Bankern geworden ist. Der behauptete Parallelismus von Bankertugenden und Gegenwartskunst spiegelt sich auch im permanenten Zwang zur Zeitgenossenschaft.

Die Deutsche Bank liefert dazu das beste Beispiel: In den Jahren 2008 bis 2010 erlebte nicht nur die Architektur der Zentrale ein zeitgenössisches Lifting, auch die Kunstausstattung folgt nun dem Gegenwärtigen auf dem Kunstmarkt. Die Globalisierung der Märkte spiegelt sich in den 60 Künstlern, von denen jeder nach wie vor ein eigenes Stockwerk besetzen darf.

Viele der gar nicht mal so alten Meister aus den achtziger Jahren wanderten aus den Türmen ins Museum. Ein anderer Teil der Sammlung geht auf Tourneen in Übersee. Der Rest ist Verfügungsmasse für Themenausstellungen – jetzt eben in eigenen Räumen unter dem Namen „KunstHalle by Deutsche Bank“ in Berlin. Eine Win-win-Situation für Unternehmen, Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit? Auf jeden Fall ein Imagegewinn für die Bank.

Warum noch als Sponsor auftreten, wenn man selbst eine Kunsthalle aufmachen kann? „Wir haben inzwischen selbst einen Namen, die Expertise und auch die Erfahrung“, meint Friedhelm Hütte dazu. Die Privaten brauchen das Museum als Weihestätte und Veredelungsbetrieb nicht mehr. Eine Entwicklung, die sich die Museen zu einem Gutteil selbst zuzuschreiben haben: Sie vollziehen meist nur noch nach, was der Kunstmarkt ihnen vorgibt. Der Markt wird aber von privatem Kapital bestimmt, bei Preisen für Spitzenwerke, die sich öffentliche Museen nicht mehr leisten können. Sie sind deshalb dazu übergegangen, Sammler zu sammeln: Die Museen bieten ihr Renommee, um Sammlungen anzulocken, damit sie überhaupt noch aktuelle Kunst zeigen können.

Diese Strategie scheint inzwischen aber erschöpft. Denn eigene Wertzuschreibungen können von den Museen so kaum noch erwartet werden. Das öffentliche Museum hat sich ironischerweise gerade wegen seiner Selbstentmächtigung bei den umworbenen Sammlern diskreditiert. Die Privaten eröffnen konsequenterweise eigene Museen.

Im Fall von Thomas Olbricht scheint eine gehörige Portion Eitelkeit mit im Spiel zu sein. Das suggeriert schon der Name „me – Collectors Room“ für das Kunst-Etablissement des früheren Endokrinologen und Aufsichtsratsvorsitzenden der Wella AG. Olbricht offenbart in der Berliner Auguststraße Pikantes und Intimes, er prunkt mit seinem sehr persönlichen Geschmack. Für vieles, was derzeit aus seiner privaten „Wunderkammer“ zu sehen ist, wären öffentliche Museen gar nicht geeignet – zumal manches nur unter Begleitung von Erwachsenen zugänglich ist.

Kunst als Trophäe

Anders bei Christian Boros, der in einem alten Luftschutzbunker der Öffentlichkeit seine Sammlung offeriert, wie sie auch ein Museum für Gegenwartskunst zeigen würde – wenn es sich so etwas noch leisten könnte. Boros, Chef einer Werbeagentur, wirbt mit den Trophäen aus der neuesten Kunstproduktion sowohl für das eigene Geschäft als auch für die eigene Person. Trotzdem nimmt man es ihm ab, wenn er behauptet, er wolle seine Freude an der Kunst mit anderen teilen. Dagegen ist nichts zu sagen. Bedenklich wird es, wenn öffentliche Häuser wie der Martin-Gropius-Bau Privatsammlungen wie die der Bayer AG ausstellen und dabei auf eigene kuratorische Einflussnahme völlig verzichten.

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