: Lebens-Mittel sind mehr als Gen-Sequenzen
Die Slow Food Bewegung vereinigt 80.000 Aktivisten unterm Symbol der Schnecke, kämpft für kulinarische Traditionen – und gegen Gentechnik
„Die Schlacht, die wir schlagen, um die Biodiversität unseres Planeten zu verteidigen, ist eine Schlacht für die Zivilisiertheit der Menschen. Es geht dabei um das universelle Recht, Land und Saatgut zu besitzen und auf den Acker auszubringen. Dieses Recht ist sakrosankt für alle Bauern dieser Welt. Demgegenüber stehen die multinationalen Pestizid- und Gentech-Konzerne mit einer Strategie, die sich nicht mit der Umwelt verträgt, die unsere Erde unter Stress setzt, die die – Lebensmittel-Souveränität der Menschen untergräbt und die Freiheit von Landwirten und – Gemüseanbauern bedroht.“
Carlo Petrini, Präsident der Slow-Food-Bewegung, bringt mit diesen drei Sätzen unsere Position zur Gentechnik auf den Punkt. Er kritisiert zugleich, dass „die transgenen Lobbyisten die Tradition und das Wissen der Bauernschaft verspotten und die Schwachen in diesem ungleichen Kampf platt walzen wollen“.
Slow Food, die 1986 in Italien gegründete internationale Organisation, deren mehr als 80.000 Mitglieder in 40 Ländern das Menschenrecht auf Genuss und gute Lebensmittel auf ihren Schild gehoben haben, verlangt in Sachen grüner Gentechnik eine strikte Festlegung auf das Vorsorgeprinzip: Es dürfen auf offenen Feldern keine Anpflanzungen erfolgen, solange es keine Sicherheit darüber gibt, dass daraus schädliche Folgen für die Umwelt, die Tierwelt und den Menschen ausgeschlossen sind.
Grundsätzlich, so Giulio Colomba, Vizepräsident von Slow Food, „sind wir überzeugt, dass in der Natur bereits die Ressourcen vorhanden sind, um Züchtungen zu erreichen, die auch ohne Gentechnik die erwünschten Eigenschaften besitzen“. So wurde jetzt gemeinsam von französischen und italienischen Universitäten ein Projekt gestartet, das sich mit den DNA-Sequenzen von Weinreben beschäftigt.
Mehrere tausend Weinreben und Kreuzungen zwischen ihnen wurden mit modernster DNA-Analyse untersucht, um mehr über ihre vielfältigen Erbeigenschaften zu erfahren. Dieses Erbgut wird in einem Verfahren weiterentwickelt, das seit Jahrtausenden in der Landwirtschaft und Tierzucht angewendet wird. Und zwar ohne jegliche gentechnische Eingriffe. Und es funktioniert.
Es gibt viele Gründe, der „grünen Gentechnik“ ablehnend gegenüberzustehen. Von einem grundsätzlichen Standpunkt aus betrachtet, sind die gentechnisch manipulierten Pflanzen immer an der weiteren Erhöhung der Produktivität orientiert. Dies ist aber nicht länger akzeptabel.
Der Boden erträgt diese Produktionssteigerungen nicht straflos, sie sind nicht zukunftsfähig und haben schon in der Vergangenheit massive Schäden verursacht. Das Ergebnis waren immer ein Verlust an Biodiversität und Umweltzerstörung, ein Verlust an Qualität und traditionellen Lebensmitteln. Es geht nicht darum, ob wir mit Hilfe der Gentechnik mehr und effizienter produzieren können. Es geht um die globale Balance unseres Planeten, um die Bewahrung der Umwelt und um die zunehmende Standardisierung der Lebensmittel.
Eines sollten wir nie vergessen: Nahrung kommt von der Bewirtschaftung des Landes. Jeder, der isst, muss wissen, dass es Bauern, Produzenten, Köche braucht. Und selbst das einfachste Essen hat uns eine Geschichte zu erzählen: von seiner Herkunft, seinem Ort, seiner Bevölkerung und seiner Identität. Nahrung ist mehr als seine Gen-Sequenzen.
CINZIA SCAFFIDI
Die Autorin ist Forschungsdirektorin bei Slow Food International
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