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Verfahren mit Tiefgang

ENTSCHEIDENDE TAGE

Das Verfahren war sogar schon mal richtig Prime Time im Ersten: Eine wie in Oberammergau handgeschnitzte Radio-Bremen-Dramaturgie hatte für einen „Tatort“ bewährt hölzerne Schauspieler um die Weservertiefungs-Auseinandersetzung gruppiert wie Hirten um die Krippe. Die blieb indes, ganz wie an Heiligabend, nur Staffage.

Dabei sorgt die Frage, ob die Weser zum elften Mal ausgebaggert werden sollte, seit Jahrzehnten auch zwischen SPD und Grünen für Spannung. Jetzt naht endlich die Entscheidung: Am 15. 5. wird ab 10 Uhr vorm Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mündlich darüber verhandelt, ob höhere Gewinne einzelner Unternehmen die Zerstörung von Uferfeuchtgebieten und einen rasanten Anstieg der Sturmflutgefahr legitimieren. Tun sie nicht, findet der BUND und hat deshalb im September 2011 gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt, in dem die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (WSD) im Sommer 2011 ihre Vorstellungen über die „Anpassung“ von 122 Weserkilometern „an die Entwicklungen im Schiffsverkehr“ niedergelegt hat. (Az.: BVerwG7A 20.11.)

Während die Umweltverträglichkeitsprüfung dabei laut BUND eher kläglich ausfiel, waren die WSD-Ideen kongruent mit denen des „Wirtschaftsverbandes Weser“, und besonders mit denen seines Vize-Vorsitzenden Jan Müller. Der Hafen in Brake ist nämlich seiner. Dort löscht er vor allem Futtermittel aus Amerika, gelegentlich sogar gentechnisch-unveränderte Soja. Dass bei ihm auch voll beladene Normschiffe landen können, sei ihm „seit 1992 ein großes Anliegen“, hatte er im Mai vergangenen Jahres noch mal im Braker Gemeinderat klargestellt. Der hat ihm mehrheitlich gehorcht und einen Appell pro Weservertiefung verabschiedet.

Die Verwaltungsrichter hat der kaum beeindruckt: Schon in einem Vergleichsvorschlag hatten sie ziemlich deutlich moniert, dass die WSD im Planwerk die Frage der Uferversalzung zu sehr à la légère behandelt und Schutzmaßnahmen nur im Mal-schau’n-ob’s-klappt-Modus vorgesehen hatte. Mit deutlich mehr Tiefgang haben die Richter selbst die Lage am Fluss begutachtet. Auch für die Hauptverhandlung hat man mit drei Tagen viel Zeit eingeplant. Das Urteil wird dann „auf jeden Fall an einem gesonderten Termin verkündet“, so eine Gerichts-Sprecherin.  BES

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