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OFF-KINOFilme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Manche Filme haben schon nach der ersten Einstellung gewonnen. Wie etwa „Sweetgrass“, ein auf seine Art sehr lustiger anthropologischer Avantgarde-Dokumentarfilm über Schaftrecks in Montana, der mit der Aufnahme eines seelenruhig kauenden Schafes eröffnet, das angesichts der langsam in sein Hirn dringenden Erkenntnis, dass ihm hier jemand zusieht, ebendiese Tätigkeit einstellt, um anschließend zu gucken, wie nur ein Schaf gucken kann. Der Rest des Films ist gefüllt mit Schafmassen, die sich durch die bergige Landschaft wälzen, und mit angesichts ihrer schweren Arbeit irrsinnig vor sich hin fluchenden Sheepboys. Eindrücklich im Gedächtnis bleibt ein völlig hysterisches Telefonat eines Schaftreibers mit seiner Mutter – weil die Schafe einfach nicht das tun, was sie sollen. Die Filmemacher Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash sind studierte Anthropologen; ihre in der Zeit zwischen 2001 und 2005 entstandenen Aufnahmen dieser langen Schaftrecks (die mittlerweile eingestellt wurden) haben sie zuvor in kurzen Filminstallationen in Kunstgalerien gezeigt. Auf der kommenden Berlinale ist Rahmen des Forum-Expanded-Programms mit dem 7-minütigen „The High Trail“ übrigens ein weiterer Film aus der „Sheep Rushes“-Serie von Lucien Castaing-Taylor zu sehen. (7. 2. Eva-Lichtspiele)

„Er läuft ja wie ein offenes Rasiermesser durch die Welt.“ „Woyzeck“, die Verfilmung von Georg Büchners gleichnamigem, durch den frühen Typhustod des Dichters im Jahr 1837 unvollendet gebliebenem Bühnenstück, gehört zu den weniger bekannten Werken in der Zusammenarbeit des diesjährigen Berlinale-Jurypräsidenten Werner Herzog mit seinem „liebsten Feind“ Klaus Kinski. In einer stark zurückgenommenen Inszenierung entfaltet sich hier ein konzentriertes Drama um den von seinem Vorgesetzten gequälten und von einem Arzt in einem seltsamen Ernährungsexperiment missbrauchten Soldaten Franz Woyzeck (Kinski), der langsam in den Wahnsinn driftet und seine Geliebte (Eva Mattes) umbringt, als sie sich mit einem Offizier einlässt. (5.–8. 2 Regenbogenkino)

Viele gute Kritiken hat „Fame“, das Disney-Remake von Alan Parkers berühmtem gleichnamigen Musical aus dem Jahr 1980, nicht bekommen. Denn im direkten Vergleich zu Parkers Film, der in clever montierten Episoden dem Werdegang jugendlicher Absolventen der New Yorker High School for Performing Arts von ihrer Aufnahmeprüfung bis zum Abschluss (oder dem vorzeitigen Scheitern) folgt und dabei auch Themen wie Drogen, Homosexualität und ungewollte Schwangerschaft verhandelt, geht es bei Disney deutlich konfliktfreier und „sauberer“ zur Sache. Doch der Film des erst 24-jährigen, als Choreograf von Britney Spears bekannt gewordenen Regisseurs Kevin Tancharoen, der die Struktur des Originals durchaus beibehält, richtet sich schließlich an Teenager. Und für junge Leute bietet der Film mit seinen flotten Tanzszenen (vor allem mit der blonden Kherington Payne) ein definitiv schwungvolles Entertainment. (in vielen Kinos) LARS PENNING

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