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LESERINNENBRIEFE

Vergessen, aber nicht unerforscht

■ betr.: „Morsches Fundament“, taz vom 10. 5. 13

Die Kenntnisse über den Verbleib der Nazis sind nicht unbedingt neu. Eine weitgehende Verfolgung der NS-Straftäter war durch die Besatzungsmächte nicht gewollt. US-amerikanische Geheimdienste haben sich der Hilfe führender NS-Leute bedient und diesen Hilfe bei der illegalen Einwanderung in die USA gewährt. Westintegration und Wiederbewaffnung hatten Vorrang vor Entnazifizierung.

Entgegen der Moskauer Erklärung und dem Alliierten-Kontrollratsgesetz Nr. 10 setzte sich der Bundestag in seiner Verjährungsdebatte 1965 in seiner Mehrheit für die Verjährung von NS-Straftaten ein. Ebenso wurden Nazis durch verschiedene Grundgesetzänderungen besser geschützt. (Art. 131, 139). Bereits 1959 gab es eine Ausstellung, in der 138 Richter und Staatsanwälte aufgelistet wurden, die hohe Posten in Deutschland (West) bekleideten, obwohl sie im „Dritten Reich“ Todesurteile unter anderem wegen fünf paar gestohlener Schuhe fällten. (Muhs, Oberlandesgericht Hanau, Dr. Holleit, Minden, u. v. a. wurden dort genannt). Jörg Friedrich, „Die kalte Amnestie“, beschreibt das sehr gut bereits in den 80ern.

In einer Fallstudie über Hamburg habe ich nachgewiesen, dass auch in einer SPD-regierten Stadt Alt- und Neonazis vor Gericht erstaunlich gut wegkamen (Strippel, Worch, Schwarz u. a.). Alles ist schon lange bekannt. Jetzt, nachdem viele tot sind, wird „geforscht“, obwohl vieles seit Jahren bekannt ist. Ich finde es wichtig, dass diese Themen auch heute noch bearbeitet werden, da vieles vergessen – nicht unerforscht – ist. JENS GÄRTNER, Ahrensburg

Blickwinkel

■ betr.: „Kampf dem Fett“, taz vom 11. 5. 13

Ich kann den Artikel nicht lesen. Er kritisiert die Fitnessinitiative einer aus der afro-amerikanischen Arbeiterklasse aufgestiegenen Frau, indem er behauptet, dass ihr Programm „let’s move“ Arme, Afro-Amerikaner und Frauen (was für eine unglaubliche Aufzählung) stigmatisiert. Jürgen Martschukat ist nicht arm, ist keine Frau und ist kein Afro-Amerikaner. Ich möchte mich seinem weißen, männlichen Mittelschicht-Blick nicht aussetzen. Glaubt die taz wirklich, er kann diesem Blick entkommen?

SABINA MARIA VAN DER LINDEN, Berlin

Unvollendete Säkularisierung

■ betr.: „Säkularisten aller Ränder vereinigen sich“, taz v. 13. 5. 13

Als in der SPD ein Arbeitskreis der Laizisten gegründet wurde, schrieb Daniel Bax am 21. Oktober 2010 in der taz unter der Überschrift „Die unvollendete Säkularisierung“ begeistert: „Das wurde ja langsam Zeit“, dass endlich auch die Konfessionslosen und Atheisten eine Stimme bekommen, damit eine stärkere Trennung von Staat und Religion erfolgt und religiöse Symbole aus der Öffentlichkeit verschwinden. Er betont, dass hier eine „überfällige Debatte“ angestoßen wird, und fragt: „Wie viel Religion verträgt Deutschland? Angesichts eines zunehmend stärker sichtbar werdenden Islam und christlicher Kirchen, die sich dadurch in ihrem Sendungsbewusstsein noch gestärkt sehen, treibt diese Frage derzeit viele Menschen um. […] Höchste Zeit also, dass sich jemand mal auf die Fahnen schreibt, die unvollendete Säkularisierung der Bundesrepublik zu vollenden.“

Wenn nun die „kritische Islamkonferenz“ die gleiche Zielsetzung hat, in der nun nicht vor allem das Christentum, sondern auch der Islam kritisiert und aus der unvollendeten säkularen Gesellschaft in die Privatsphäre zurückgedrängt werden soll, ist bei Daniel Bax auf einmal alles anders. Nun schreibt er, wer „aus freien Stücken einer Religionsgemeinschaft“ sich zugehörig fühle, müsse seine Religion so leben können, wie er es wolle. Solch ein Satz wäre ihm beim Lob der Initiative der Laizisten in der SPD nie eingefallen. Er hätte den ganzen Ansatz infrage gestellt und Partei für die Christen bedeutet.

Jetzt werden von ihm unter der Überschrift: „Säkularisten aller Ränder vereinigen sich“ die Teilnehmer als „Sarrazinfans“ und „Stalinistinnen“ diffamiert, ohne das auch nur mit einem Satz argumentativ zu begründen. „Christenkritiker“ werden gelobt, „Islamkritiker“ dagegen stehen unter Generalverdacht. Warum kann Daniel Bax nicht endlich begreifen, dass für eine Vollendung der „unvollendeten Säkularisierung der Bundesrepublik“ auch der Islam heftig kritisiert werden muss und Initiativen, wie die von Mina Ahadi vom Zentralrat der Exmuslime, die ehemalige Muslime vertritt, die sich von ihrem Glauben befreit haben, im Sinne seines Beitrags von 2010 zu loben sind? OTTO ULLRICH, Berlin

Seid nicht so vorhersehbar

■ betr.: „Meisterfeier in München. Duschen und anzeigen“,taz vom 13. 5. 13

Ihr müsst ja keine Fans des FC Bayern sein. Das bin ich ja gewohnt, wenn ich eure Fußball-Berichterstattung lese. Selten war in den letzten 30 Jahren mal etwas Positives über das Team bei euch zu lesen (da kann die Mannschaft auch noch so gut spielen), und wenn, dann hat man den Eindruck, der Schreiber würge sich gerade so durch den Text. Aber heute, liebe Sportskameraden: Der FCB erhielt am Samstag die Schale für die Meisterschaft, für eine fußballerisch herausragende Leistung, eine famose Saison, und was bringt ihr auf den „Leibesübungen“? Ein Bildchen mit einem Textchen zur Weißbierdusche und zur Anzeige von Uli Hoeneß. Na, bravo! Mehr fällt euch zum Thema nicht ein? Ich wünsche mir ein bisschen mehr Objektivität. Nur ein bisschen. Und seid nicht gar so vorhersehbar, wenn ihr über die Bayern schreibt. THOMAS BOHNET, München

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