: Publikum hat bestanden
BASISDEMOKRATIE Das Thalia wagte Außergewöhnliches – und gewann: Freiwillig bezahlten die Zuschauer sogar mehr Eintritt als an regulären Theaterabenden
Er wollte die Schmerzgrenze finden, und zwar in puncto Geld: Zu einem „Nathan“-Abend, bei dem das Publikum den Eintritt bestimmte, hatte der Thalia-Intendant Joachim Lux am Donnerstag geladen. Ein Experiment mit vielen Variablen: Würde das Geld maximal für die Beleuchtung reichen? Würde von den Einnahmen überhaupt inszeniert werden können?
Das im Nachgespräch verhandelte Resultat beruhigte die Zweifler: Mit gut 10.000 Euro habe man „etwas mehr als unter normalen Bedingungen“ eingenommen, sagte Geschäftsführer Ludwig von Otting, und das sei doch ermutigend. Die individuelle Zahlungsbereitschaft variierte allerdings erheblich: Zahlten Einzelne 180 Euro pro Karte – über das Doppelte des regulären Höchstpreises von 62 Euro –, waren auch Minimal-Zahler mit 50 Cent vertreten. „Von Schnäppchenjägern im großen Stil hat unser Kassenpersonal allerdings nichts erzählt“, sagte von Otting. „Die meisten Besucher haben sich wohl an den regulären Preisen orientiert.“
Was jedem einzelnen das Theater wert ist, hatte Intendant Lux testen wollen. „Es geht um die Frage, wie viel jeder – zusätzlich zu den aus Steuergeld gespeisten Subventionen – zahlen mag. Und ob er sich Theater überhaupt noch leisten kann und will.“
Hintergrund des Experiments war auch die vor einigen Monaten diskutierte Idee von Weltwirtschaftsinstituts-Chef Thomas Straubhaar, statt Theatersubventionen künftig Gutscheine zu verteilen. Abgesehen davon wird das Thalia von der nächsten Spielzeit an 300.000 Euro weniger an Subventionen erhalten und dies durch Preiserhöhungen von rund fünf Prozent kompensieren – „allerdings eher im Hochpreis-Segment“, so von Otting. „Menschen mit schmalen Geldbeuteln sollen weiter ins Thalia gehen können.“
Ob das so viele sind wie erwünscht und ob Preisnachlässe die Lust auf Theater steigern, blieb strittig: Am Donnerstag waren von 1.000 Plätzen bloß 701 verkauft. Das ist zwar ein guter Schnitt für eine Nicht-Premiere; zudem finanzierte sich der Abend nicht über Abonnements, sondern komplett über den freien Verkauf. „Trotzdem“, beharrte von Otting, „sind hier 300 Plätze leer. Dabei hätte jeder zum Preis einer Kinokarte herein gekonnt.“ Er halte die These, dass Umsonst-Theater massenhaft Besucher brächte, „für eine Mär“.
Zur basisdemokratischen Dauereinrichtung will Lux die freiwillige Preisgestaltung, die bei mittelständischen Dienstleistungsbetrieben durchaus funktioniert, aber nicht machen. „Dies war nur ein Experiment“, sagt der Intendant. Keine Revolution. PS
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