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„And now goal“

EFFIZIENT Der FC Chelsea gewinnt in letzter Minute das Europa-League-Finale gegen Benfica Lissabon und wartet schon auf Jose Mourinho

„Das hat die ganze Welt gesehen“

BENFICAS TRAINER JORGE JESUS ZUR ÜBERLEGENHEIT SEINER MANNSCHAFT

AUS AMSTERDAM MARCUS BARK

Die Zeit drängte, aber der Reporterin aus seiner Heimat Brasilien gönnte David Luiz noch ein paar Fragen. Danach war Schluss. Ein gut beleibter Mann stand hinter dem Spieler des FC Chelsea, die Bordkarten schon in der Hand. So wurde den wenigen deutschen Journalisten die Frage verwehrt, die ihnen unter den Nägeln brannte. Hatte David Luiz es wieder getan?

Im vorigen Jahr, es war der 19. Mai, ging Luiz kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit an Bastian Schweinsteiger vorbei und sagte vor einem Eckstoß in leicht verständlichem Englisch: „And now goal.“ Dieses Tor fiel dann auch im Finale der Champions League gegen den FC Bayern. Ausgleich Didier Drogba, Verlängerung, der Rest ist bekannt.

Am Mittwoch war die Hälfte der drei Minuten Nachspielzeit abgelaufen, als der FC Chelsea einen Eckstoß bekam. Die englischen Fans in der Kurve hinter dem Tor röhrten laut auf. Es war das Gespür für: „And now goal.“ Branislav Ivanovic wurde zum Nachfolger Drogbas, der FC Chelsea gewann dank des Kopfballtreffers mit 2:1 gegen Benfica Lissabon die Europa-League. Ivanovic wickelte sich eine serbische Fahne um die Hüfte und bestieg die Torlatte. In Ermangelung geeigneter Kandidaten wurde er von einem Sponsor zum „Mann des Spiels“ gewählt. Das brachte ihm einen komischen Pokal und eine Pressekonferenz ein, in der er sagte: „Das Spiel war dem vor einem Jahr sehr ähnlich.“

Es stach außer den späten Toren heraus, dass die bessere Mannschaft rote Trikots trug und verlor. „Das hat die ganze Welt gesehen“, klagte Jorge Jesus. Der Trainer von Benfica sieht mit seiner Mähne aus wie ein britischer Rockgitarrist aus den 70er Jahren, aber er lässt einen modernen und sehr schön anzusehenden Fußball spielen. Von der gnadenlosen Effizienz eines FC Chelsea waren die Portugiesen aber ein gutes Stück entfernt.

Daher blickte Jesus traurig in die Runde und stellte seine bis auf Details ausgehandelte Vertragsverlängerung in Frage. Rafael Benitez grinste hingegen als Chef einer PR-Agentur, die nur einen Klienten hat: Rafael Benitez. Er kam im November 2012 für Roberto di Matteo, der mit dem Klub zuvor die Champions League gewonnen hatte. Dafür, dass sein Vertrag bis zum Saisonende befristet ist und die Chance auf eine Verlängerung im niedrigsten Promillebereich liegt, darf sich Benitez auf die Schulter klopfen. Er tat das dann auch. „Viele Leute haben gesagt, dass man Rafa holte, um Fernando Torres besser zu machen. Ich denke, er hat sich sehr gesteigert“, sagte „Rafa“ Benitez. Sechs Treffer trug der spanische Landsmann Torres zum Triumph in der Europa League bei, einen davon im Finale zum 1:0 (60.), das Oscar Cardozo mit einem Handelfmeter ausglich (68.). Was er dabei empfunden habe, von den Fans in der Kurve gefeiert zu werden, die ihn schon mal als „dicken spanischen Kellner“ verunglimpfen und ihm die (ebenfalls erfolgreiche) Vergangenheit beim FC Liverpool anlasten, wurde Benitez gefragt.

„Ganz ehrlich: Ich wollte mich eigentlich nur ein bisschen freuen mit dem Pokal in der Hand“, antwortete Benitez, der die Saison mit den „Blues“ in der Premier League vermutlich auf dem dritten Platz beenden wird. Versöhnung trotzdem nahezu ausgeschlossen. Der FC Chelsea ist noch bis zum 25. Mai der erste Klub in der Geschichte, der die beiden wichtigsten europäischen Titel hält. „Wir werden die Zeit genießen“, sagte der 34 Jahre alte Frank Lampard, der gestern einen neuen, bis Sommer 2014 gültigen Vertrag unterzeichnete, wonach es vor Wochen noch nicht ausgesehen hatte.

Der neue, alte Trainer des Kapitäns heißt künftig wahrscheinlich Jose Mourinho. Marko Marin nahm den Namen sogar in den Mund. Der ehemalige Bundesligaprofi, der 93 Minuten auf der Bank gesessen hatte, wollte trotz „einiger Anfragen aus der Bundesliga“ an der Stamford Bridge bleiben und „sehen, welche Möglichkeiten Jose Mourinho für mich sieht“. Ob er denn schon wisse, dass der Portugiese von Real Madrid komme? „Nein“, grinste Marin, „aber wir lesen ja auch Zeitung.“ Auch wenn Benfica das siebte europäische Finale hintereinander verlor, können sie beruhigt in die Zeitung schauen, denn die Stimmen fallen durchaus positiv aus. So schreibt der Correio da Manha: „Der Fluch bremst die Glorreichen. Nach einer tollen Leistung stiehlt ein Tor in der 93. Minute den Roten den europäischen Titel.“

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