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Im Auftrag des Herrn unterwegs

Ehrlich gesagt ist das ziemlich schade: Anja Wedig wechselt, um das Bedauern per Kalauer zu überspielen, aus Bremens kleiner freien Theater- und performing arts-Szene – in die unfreie. Wobei sie beides bestreiten würde. Denn den Katholizismus, den die Regisseurin, Autorin, Schauspielerin und künstlerische Leiterin der Schwankhalle als neues Berufsfeld für sich entdeckt – sie will auf Pastoralreferentin umsatteln – empfindet sie nicht als Unterdrückungsmaschine. Und so ungebunden wie früher ist die freie Szene auch nicht mehr.

Im Vergleich zu einst ist der Status des „jungen Theaters“, das sich unter Wedigs Leitung vor fünf Jahren als „alte Liebe-Produktionen“-Team neu gegründet hat, sogar fast schon saturiert zu nennen. Und dafür ist sie mitverantwortlich: In Wedigs Zeit fällt nicht nur der Umzug vom provisorischen Quartier im Güterbahnhof ins Veranstaltungszentrum Schwankhalle, das auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei auf der linken Weserseite völlig neu geschaffen wurde. Und während früher, also: vor Rot-Grün, mitunter im März nicht klar war, ob die CDU-geführte Kulturbehörde das zugesagte Geld für die im vergangenen Herbst abgelaufene Produktion rüberwachsen lassen würde, geschweige denn wann, hat man nun Verlässlichkeit durch Fünfjahres-Kontrakte: Durch das, was sie selbst „ihre Eichhörnchenarbeit“ nennt, hat Wedig auf Künstlerseite großen Anteil daran, dass diese endlich unterzeichnet wurden. „Wir haben hier viel gerissen“, sagt sie rückblickend.

Warum sie jetzt ihre Nüsschen in geweihter Erde vergräbt? „Mir ist klar geworden, dass ich mit 60 nicht mehr hier sitzen möchte“, sagt die 38-Jährige. Und, „dass die Gemeindearbeit mehr mit mir zu tun hatte“. Ehrlich? Ehrlich. Der Schwankhalle und dem alte Liebe-Team wünsche sie zum Abschied „transparentere Wände“, was nicht baulich gemeint ist: Fast zehn Jahre habe es gedauert, „allein in Bremen und im Stadtteil anzukommen“, sagt sie. Jetzt dürfe man nicht in den Fehler verfallen, auf dem Erreichten hocken zu bleiben.  BES

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