: Streit um den Vierteltakt
WAHLPRAXIS Die Querelen um die Vorstandswahlen in der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer sind nach einem Wink vom Bundesgerichtshof beendet
Die Rechtsanwaltskammer ist ein regionaler Zusammenschluss von Anwälten.
■ Zugelassene Rechtsanwälte sind gesetzlich dazu verpflichtet, Mitglied in einer regionalen Rechtsanwaltskammer zu werden.
■ Bei Streitigkeiten zwischen Anwalt und Mandanten soll die Kammer zwischen den Streitenden vermitteln.
■ Die Einhaltung des Berufsrechts wird von der Kammer überwacht.
■ Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat mehr als 8.000 Mitglieder und einen 24-köpfigen Vorstand.
In der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer kommt es Ende April zu Vorstandsneuwahlen – früher als eigentlich geplant. Damit trägt der amtierenden Vorstand einem Wink des Bundesgerichtshof (BGH) Rechnung und beendet die Querelen eines Wahlanfechtungsverfahren aus dem Jahre 2007, das eine Gruppe um den Rechtsanwalt Corvin Fischer angestrengt hatte.
Hintergrund des Konfliktes war vor allem ein Streit um den Wahlmodus: Ein Kandidat für den Kammervorstand, der in Hamburg mehr als 8.000 Rechtsanwälte vertritt, wird für vier Jahre gewählt. Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung muss allerdings die Hälfte des 24-köpfigen Kammer-Vorstands alle zwei Jahre ausgetauscht werden.
Aus der Tradition heraus wurde jedoch in Hamburg ein anderer Turnus praktiziert: Hier finden in jedem Jahr Vorstandswahlen statt, jedoch nur ein Viertel der Mitglieder rotiert. „Wir tauschen auch alle zwei Jahre die Hälfte aus, nur Vierteltakt“, sagt Kammerpräsident Otmar Kury.
Ex-Schill-Anwalt Fischer sah 2007 dennoch darin eine Kungelei, da die Vorstandsmehrheit „so nie gekippt werden könnte“ und die großen Kanzleien in „Blockwahl“ gegenseitig ihre Kandidaten durchsetzen.
Fischer zog vor den Anwaltsgerichtshof. Dieser gab jedoch dem Vorstand recht, dass es keinen Grund gebe, gegen die hanseatische Praxis und Satzung zu verstoßen. Obwohl das eigentlich ein rechtskräftiges Urteil gewesen wäre, willigte der Kammervorstand einer Revision vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein.
Vergangene Woche fand nun eine Anhörung vor dem BGH-Zivilsenat für Anwaltsangelegenheiten (Anwaltssenat) statt. Und beide Seiten fühlen sich danach als Gewinner. „Der Richter hat das Vorgehen für rechtswidrig erklärt und den Kammervorstand geraten, schnell Neuwahlen einzuleiten“, behauptet Fischer.
Kammerpräsident Kury sagt hingegen, dass die Wahlen „nicht für ungültig erklärt worden seien“ und dem Vorstand kein Fehlverhalten attestiert wurde. Jedoch sei geraten worden, von der Praxis abzuweichen, auch wenn es zu Verstößen gegen Rechtsnormen komme.
Auf Anfrage der taz beim BGH verwies der zuständige Richter darauf, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Dennoch soll bei den Kammervorstandswahlen jetzt anders verfahren werden. Kury: „Ich brauchte einen Rechtfertigungsgrund, um von der traditionellen Praxis abzuweichen.“ KAI VON APPEN
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