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Die letzte Runde

Der westfälische Radprofi Rolf Aldag beendet beim Berliner Sechstagerennen unter Schmerzen seine Karriere

BERLIN dpa/taz ■ T-Mobile-Profi Rolf Aldag kämpft um sein letztes Rennen. „Ich weiß nicht, ob ich bis Dienstag durchhalte, aber ich will nicht so einfach aufhören.“ Der 37-jährige Radprofi aus dem westfälischen Beckum wollte beim 95. Berliner Sechstage-Rennen seine Karriere locker beenden. Am Samstagabend war er nach eintägiger Pause wieder auf das Lattenoval an die Seite seines Potsdamer Partners Robert Bartko zurückgekehrt. Nach seinem Sturz am ersten Tag musste er behandelt werden. Bandagen an Ellenbogen und Knie behindern den Tritt. Auf die Gesamtwertung hatte die Pause wegen Neutralisation keinen Einfluss.

„Wäre das nur ein einfaches Punktefahren, ich wäre längst draußen“, sagte er ehrlich. Doch 16 Jahre als Radprofi haben Aldag zu einem harten Kämpfer geformt. „Der Veranstalter hat auf mich gesetzt und Robert wollte sich an meiner Seite als Sieganwärter präsentieren. Da kann ich nicht einfach hinschmeißen.“ Immerhin schaffte es das Duo mit der Nummer eins, den Abstand zur Spitze noch in Maßen zu halten.

„Berlin ist eine anspruchsvolle Veranstaltung, in der vor allem die Sportler im Mittelpunkt stehen. Dazu kommt mir die lange Bahn als Straßenfahrer entgegen. Ich will noch einmal richtig Gas geben“, meinte der Westfale, der zwei seiner zehn Sechstage-Siege in Berlin feiern konnte. Dabei war seine Berlin-Teilnahme gefährdet: Eine Blinddarm-Operation war nicht richtig verheilt, er musste im Dezember noch einmal ins Krankenhaus. Danach quälte er sich gemeinsam mit seinen ehemaligen Teamgefährten von T-Mobile auf Mallorca im Training, als bereite er sich auf eine weitere Saison vor, denn er hatte versprochen: „In Berlin bin ich dabei und fit.“

Zehn Tour-Teilnahmen stehen in Aldags Vita. Ein Jubiläum, das zwischen dem Zweikampf Ullrich und Armstrong unterging. Zu Unrecht: Mehr Teilnahmen national schafften bisher nur das Arbeitstier Udo Bölts und Erik Zabel. In den Ergebnislisten tauchte der Name Rolf Aldag dabei selten vorne auf. Er gehört zur Kategorie Edelhelfer, Teamfahrer, der für seine Kapitäne auch schon mal das Tempo, die Drecksarbeit machen muss. Auf den Flachetappen galt es für Erik Zabel den Sprint anzuziehen, Jan Ullrich musste er unbeschadet in die Berge bringen. Team-Manager Walter Godefroot dazu: „Rolf ist ein Stratege. Ihm haben wir schon so manchen Sieg zu verdanken.“

Zumindest bei der Tour waren es die Siege der Anderen. Bestenfalls die Siege des Teams. Im vergangenen Jahr kam Aldag auf der Bergetappe nach Morzine hinter dem Kletterspezialisten Richard Virenque als Zweiter ins Ziel. Seine beste Tagesplatzierung. Netter Nebeneffekt: das rot-gepunktete Trikot des Führenden der Bergwertung. Für den 1,90 Meter großen und 75 Kilogramm schweren Fahrer eher untypisch. Er ist zu groß und zu schwer für die Berge. Am nächsten Tag fuhr er dem Feld hinterher und verlor das Trikot. Aldag gilt als ehrlich und trocken. „Eigentlich ist das Schwachsinn und kein Radrennen, sondern modernes Gladiatorentum“, sagte er einmal über sein Lieblings-Hassrennen Paris-Roubaix – dem Frühjahrsklassiker auf Kopfsteinpflaster. Die Anerkennung für seine Arbeit im Schatten der Großen war ihm dennoch sicher. Mit Erik Zabel steht er im Mittelpunkt des Kino-Dokumentarfilms „Höllentour“ von Oscar-Preisträger Pepe Danquart.

Aldag wäre in Berlin auch gerne mit seinem Zabel gefahren, der als früherer Berliner schon lange auf der Wunschliste der Veranstalter und der Fans steht. Immerhin haben beide gemeinsam in Dortmund Anfang November gewonnen, Zabel zudem zwei Wochen später mit Bartko in München. Doch der Sprinter stand nicht zur Verfügung. Er musste mit seinem neuen Milram-Team zur Katar-Rundfahrt.

„Ich bleibe ganz nahe am Radsport, denn ich werde als Co-Kommentator im Fernsehen bei großen Rennen dabei sein“, sagte Aldag. Bei der letztjährigen Tour war er bereits als Kommentator unterwegs. Doch beim letzten Rennen fährt nun noch einmal die Angst vor der Aufgabe mit. „Aber vielleicht ist das auch gut so, um so leichter fällt es mir zu sagen, das ist wirklich mein letztes Rennen“, sagte Aldag.

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