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EMPATHIE OHNE PROPAGANDISMUS: “AISHEEN – STILL ALIVE IN GAZA“ (FORUM)Das Karussel dreht sich wieder

Der Junge hat die Geisterbahn noch nie gesehen. Jetzt ist es zu spät, weil sie bei der Bombardierung Gazas durch die israelische Armee zerstört worden ist. Der Mann vom Vergnügungspark bittet den Jungen trotzdem herein, um ihm zu zeigen, was die Geisterbahn war und sein wird.

Denn dass der Park bald wieder in Betrieb gehen wird, steht außer Frage. Zwar sind viele Geräte kaputt, Ersatzteile können wegen der geschlossenen Grenzen nicht besorgt werden. Doch der Mann improvisiert in seiner Werkstatt, flext und schweißt. Am Ende von „Aisheen“ ist ein sich wieder drehendes Karussell zu sehen. Das Leben geht weiter. „Still Alive in Gaza“ lautet der programmatische Untertitel des Films von Nicolas Wadimoff.

Von einem Film, der für den Kinderkanal von al-Dschasira produziert worden ist, sind wenig Überraschungen zu erwarten, könnte man meinen. Umso erstaunlicher ist es dann, wie genau und unvoreingenommen dieser Film ist. Es sind schöne Bilder, die Regisseur Nicolas Wadimoff vom Vergnügungspark, dem heruntergekommenen Zoo und dem Strand von Gaza gemacht hat, wo ein toter Wal angeschwemmt worden ist.

In dieser stillen Welt sprechen die Menschen über das, was ihnen widerfahren ist. Über die zerstörten Olivenbäume, die seit hunderten von Jahren in Familienbesitz waren und von denen nach den Bomben nur eine Wüstenei übrig geblieben ist. Über die Verbrennungen durch Phosphor und über das Leid der Familien. Über ihre getöteten Söhne, Töchter, Mütter und Geschwister, die in der kalten Kosten-Nutzen-Rechnung des Militärs als „Kollateralschaden“ gezählt werden. „Wenn ich groß bin, werde ich auch Märtyrer, inschallah“, sagt der kleine Bruder des getöteten Hamas-Kämpfers.

„Aisheen“ beobachtet das alles mit Empathie für die Menschen vor der Kamera, ohne je propagandistisch zu werden. Am Ende sehen wir zwei HipHopper aus Gaza, die ins Radiostudio eingeladen worden sind. Da sitzen zwei mutmaßliche Jungfunktionäre von der Hamas als Moderatoren. Sie fragen, warum sich die Rapper so komisch anziehen, was sie mit dieser westlichen Musik wollen. Nach der Sendung fragt einer der beiden Musiker zurück: „Glaubt ihr wirklich, dass alle Palästinenser jeden Tag nur für Jerusalem kämpfen und für das Recht auf Rückkehr? Dass alle Palästinenser Israel hassen? Vergesst es.“ ULRICH GUTMAIR

■ Heute, 17.30 Uhr, Arsenal 1; 18. 2., 12.30 Uhr, Cubix 7; 19. 2., 21.30 Uhr, Delphi Filmpalast

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