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Deutschland, deine Lieder

KONZERT Heimische Lieder in Berlin muss doch wohl heißen, dass die auch auf Türkisch gesungen werden. Oder Vietnamesisch. Ein Heimatabend mit dem Sound der Migration

Heimatabend

■ 13 Chöre und Bands aus 13 Ländern, mit insgesamt mehr als 120 Musikern und Musikerinnen, präsentieren ihre Lieder beim „Heimatabend“ am Montag in der Komischen Oper. 20 Uhr, Karten für 10 bis 28 Euro. Info zu dem Projekt: heimatliederausdeutschland.de

VON THOMAS MAUCH

Große Städte sind ein Schwamm.

Da passieren seltsame Sachen in der Nacht. Wenn man sich nur ein wenig umschaut, kann man vielleicht sogar sehen, wie ein Fuchs an einem vorbeischleicht. Mitten in Berlin. Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit, auf so ein scheues Tier zu treffen, in Berlin weit höher als im Brandenburgischen. Weil auch längst die Füchse hier heimisch geworden sind.

Was das nun wieder heißen soll? Dass sich eben manches hier findet, was einem nicht gerade als Allererstes zur Großstadt einfallen will. Was auch für Musiken gilt. Dabei braucht man Großstadt ja schon deswegen, weil hier mittlerweile die Provinz am besten konserviert wird, also das Hinterland mit seinen Traditionen, die draußen gar nicht mehr wirklich gepflegt werden. Volksmusik zum Beispiel. Die in den Dörfern mit den Alten längst gestorben ist, während sich in der Großstadt selbst bei Minderheitenprogrammen noch genügend Gleichgesinnte treffen, die ansonsten in der Welt einsam bleiben würden.

Nicht sonderlich lange muss man in Berlin beispielsweise suchen, um ein Ensemble zu finden, das sich dem russischen Dorfgesang verschrieben hat, mit Liedern, so wie sie die Großmütter gesungen haben. Dazu passt eine allgemein gestiegene Wertschätzung der internationalen Folkloren. Was auch mit ihrer allgemeinen Verfügbarkeit zu tun hat. Es gibt so viel aufregende Musik. Mit ein paar Klicks ist alles zu finden in der großen Heimatlosigkeit des Netzes.

Nichts Provinzielles

War da gerade noch von der Provinz die Rede? Man sollte das ganz unbedingt nicht despektierlich lesen. Nichts Piefiges. Nichts Provinzielles. Sondern einfach die Provinz im eigentlichen Sinn: als die Gegend, aus der man herkommt.

Griechenland, Italien, Kroatien, Marokko, Mosambik, Polen, Portugal, Serbien, Spanien, Südkorea, Türkei, Vietnam. Daher stammen die Chöre und Bands, die am Montag in der Komischen Oper ihre Lieder aus der alten Heimat in ihrer neuen Heimat vorstellen: ein „Heimatabend“. Mit „Heimatliedern aus Deutschland“. Initiiert wurde das Projekt von dem Berliner Labelmanager Jochen Kühling und Mark Terkessidis, dem Ex-Spex-Mann und Spezialisten für Interkulturelles.

Weil angesichts der Fülle an Folkloren, die in Berlin heimisch geworden sind, irgendein Auswahlkriterium wohl gefunden werden musste, hat man sich bei dem „Heimatlieder“-Projekt für Musiken aus Ländern entschieden, die via Arbeitsmigration nach Deutschland gekommen sind, nach Westdeutschland – man erinnert sich an das Anwerbeabkommen –, und in die DDR mit den sogenannten Vertragsarbeitern. Gastarbeitermusik, wenn man so will.

Und eben Teil der hiesigen Kultur. Wie toll sich das anhört, kann man dann beim Konzert in der Komischen Oper erleben. Oder, zum Training vorab, auf der Homepage des Projekts. Die CD dazu soll im September erscheinen. An einem modischen Update der Folkloren mit DJ-Remixen der Stücke wird gerade gearbeitet.

Schön aber wäre es natürlich auch gewesen, wenn man noch einen, tja, deutschen Chor mit zu dem Projekt geladen hätte. Einem aus dem Schwäbischen vielleicht.

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