: Bosnier darf bleiben
Verwaltungsgericht kippt Ausweisung eines Straftäters
Bremen taz ■ Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, hat den Realschulabschluss hier gemacht – und seine kriminelle Karriere: Sieben Ladeneinbrüche in drei Jahren. Eine Berufsausbildung hat er nicht, aber immerhin im Knast den Gabelstapler-Führerschein erworben und im offenen Vollzug einen Job als Hilfsarbeiter gefunden.
Das alles habe die Ausländerbehörde zu wenig berücksichtigt, als sie ihn nach seiner Freilassung routinemäßig auswies und – nach einer Klage des Mannes – die Ausweisung auf fünf Jahre befristete, entschied jetzt das Verwaltungsgericht. Nicht nur die Fünfjahresfrist, nach der der Mann wieder einen Visumsantrag stellen dürfe, sondern die komplette Ausweisungsentscheidung erklärte das Gericht deswegen für rechtswidrig. Ein Novum in der deutschen Rechtsprechung, findet der Anwalt des Mannes, Selim Kücet. Von einem „bahnbrechenden“ Urteil spricht sogar Anwaltskollege und Ausländerrechts-Experte Volkert Ohm. „Das sind neue Töne beim Verwaltungsgericht. Früher haben sie Entscheidungen der Ausländerbehörde auch mit oberflächlichen Begründungen abgesegnet.“ Das Urteil nehme die Ausländerbehörde in die Pflicht, Ausweisungen von Amts wegen zu befristen, statt erst auf einen Antrag des Migranten zu reagieren, folgert Ohm.
Neben dem gefestigten Aufenthaltsrecht des Bosniers und der Tatsache, dass seine zu zwei Dritteln verbüßte Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, beruft sich das Gericht auf die europäischen Menschenrechtskonvention: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.“ Auch ein Erwachsener, der seine Eltern und Geschwister nicht benötigt, um seinen Alltag zu bewältigen, kann sich demnach auf den Schutz der Familie berufen.
Derweil ist der Mann freiwillig nach Bosnien umgezogen, um einer Abschiebung zuvorzukommen. Dort lebt er von der Unterstützung seiner Mutter. Bei seinen mageren Sprachkenntnissen ist an einen Job nicht zu denken. Die Ausländerbehörde überdenkt jetzt eine erneute Ausweisungsentscheidung. „Wenn sie auf zwei Jahre befristet würde, wäre es schon ein Erfolg“, sagt Anwalt Kücet. abe
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