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850 Kilometer Inszenierung

MINISTERPRÄSIDENT ON TOUR

Es ist ein wohl gepflegtes Ritual unter Ministerpräsidenten, nicht nur in Niedersachsen: Jedes Jahr brechen sie auf zu Sommerreisen, touren mit großem Pressetross durch die Lande, gerieren sich als fürsorgliche Landesväter, schütteln Hände, halten Grußworte. Eine Inszenierung, bei der es mehr um die Bilder geht, als darum, politische Botschaften ins Land zu bringen.

In Niedersachsen bricht Neu-Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kommende Woche erstmals zu einer solchen Fahrt auf. 850 Kilometer von Braunschweig, Hameln bis Jühnde in 80 Stunden. Sein Vorgänger David McAllister (CDU) toppte das im Jahr zuvor: Auf 1.200 Kilometer brachte der es in 96 Stunden. Und auch beim Programm grenzt sich Weil vom Vorgänger ab: McAllister setzte vor allem auf Volkstümliches, ließ sich von Welfenprinz Ernst August VI. Schloss Marienburg zeigen, besuchte das Weltkulturerbe Harzer Wasserregal, schunkelte mit Shanty-Chören zu Bier und Niedersachsen-Lied.

Weil dagegen bemüht sich mit seinem strikt durchgetakteten Programm um den Eindruck, er gehe auch dahin, wo es wehtut: In Hameln besucht er ein Jugendgefängnis, in Bremervörde ein Integrationsprojekt. Im Nordwesten führt er Gespräche über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, mit Gewerkschaftern und Prälat Peter Kossen, dem einst ein abgezogenes Kaninchenfell vor die Tür gelegt worden war, nachdem er in einer Predigt Ausbeutungen angeprangert hatte.  THA

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