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Trickreich nach vorn

Doppelt gezählt wirkt besser: Niedersachsens Kultusminister reduziert die Schulabbrecher-Quote

Die Schule kann man nur einmal abbrechen. Sie zu einem guten Ende bringen kann man jedoch häufiger. Wer zum Beispiel nach der 10. Klasse Realschule ans Gymnasium wechselt, hat die Realschule beendet. Und wenn er dann erfolgreich ein Abitur ablegt, hat er zwei Schulabschlüsse erworben. Also ist es nur gerecht, dass er in der Absolventen-Statistik auch doppelt auftaucht. Findet zumindest das niedersächsische Kultusministerium.

Im Statistischen Landesamt „arbeiten kompetente Leute, deren Zahlenwerk man vertrauen kann“, verteidigte gestern ein Sprecher von Minister Bernd Busemann (CDU) die Hochglanzquote, mit der sein Boss erst kürzlich rumgeprotzt hatte: Nur 7,5 Prozent Schulabbrecher habe man, damit stehe man bundesweit an zweiter Stelle. Bildungsparadiesische Zustände, und das obwohl doch Niedersachsen bislang immer ganz am Ende der einschlägigen Tabellen stand.

Problem nur: Die anderen Länder zählen anders – und die Werte sind deshalb nicht vergleichbar. Darauf wies gestern Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel hin: „eine bewusste Fehldarstellung“ sei das, mit der sich „Busemann seine Bilanz auf billige Art und Weise schön frisiert“. Würde Niedersachsen so Statistik führen, wie das übrige Deutschland, käme man auf einen Durchschnitt von rund 10 Prozent Schulabbrechern – und lande damit im hinteren Drittel des Länderrankings, anstatt auf Platz Zwei. Tatsächlich bringt ein Blick in die Unterlagen des Statistischen Bundesamtes Überraschendes zutage: Im Jahr 2004 verzeichnet der Flächenstaat einen republikweit beispiellosen Zuwachs von 30.000 Schulabgängern, die ausnahmslos die Realschule absolviert haben. Ein Busemann-Wunder, dass die Zahlenmeister allerdings per Fußnote entzaubern: „Einschließlich Übergänger/innen in Sekundarbereich II“, schlüsselt der Statistik-Bericht auf, wie Niedersachsen durch einen simplen Zähltrick ganz nach vorne gerutscht ist. bes

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