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Müll bleibt im Sack

VON BARBARA DRIBBUSCH

Nicht geräumte Schneehaufen, längere Wartelisten für Operationen und gestapelte Müllsäcke: Der Streik im öffentlichen Dienst wird in der kommenden Woche ausgeweitet. In mehreren Bundesländern werden zehntausende Bedienstete von Landesbetrieben in den Ausstand treten, kündigte der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske gestern an.

Außerdem wird der Arbeitskampf in den kommunalen Betrieben Baden-Württembergs in der nächsten Woche fortgesetzt. In Städten und Gemeinden Niedersachsens sind zudem tausende Beschäftigte zum Arbeitskampf aufgerufen. Auch bei den Stadtbetrieben Hamburgs wird gestreikt.

Für die Arbeitskämpfe hatten in Urabstimmungen rund 95 Prozent der Aufgerufenen votiert. Neben Ver.di rief die vom Deutschen Beamtenbund geführte dbb-Tarifunion Angestellte des öffentlichen Dienstes in mehreren Bundesländern zu Streiks auf. Mit den Arbeitskämpfen in städtischen Betrieben sowie in Landesunternehmen wollen die Gewerkschaften die 38,5-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst im Westen erhalten. Im Osten gilt die 40-Stunden-Woche.

Wie Bsirske erklärte, sind bundesweit 14 Universitätskliniken, Straßenmeistereien und ausgewählte Landesbetriebe von dem Ausstand betroffen. Bei den Kommunen sind Müllabfuhr, Kindertagesstätten und Sozialdienste involviert. Die Gewerkschaft der Polizei und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wollen sich ebenfalls punktuell an dem Ausstand beteiligen. In Hamburg streiken ab Dienstag Beschäftigte der Stadtreinigung und Stadtentwässerung.

Mit der Ausweitung der Streiks kämpfen die Gewerkschaften jetzt an zwei Fronten: In den Betrieben der Städte und Gemeinden geht es darum, trotz der gekündigten Arbeitszeitrichtlinien die bisher geltende Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden im Westen zu erhalten. In den Landesunternehmen, u. a. den Universitätskliniken, kämpft Ver.di hingegen darum, dass der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD) übernommen wird und damit ebenfalls für diese Beschäftigten im Westen die 38,5-Stunden-, im Osten die 40-Stunden-Woche gilt. Für die Angestellten der Bundesbehörden wird dieser Tarifvertrag bereits angewendet, allerdings mit einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von 39 Stunden für die West- wie für die Ostbeschäftigten.

Wie aber könnte nun ein Kompromiss im Tarifstreit aussehen? Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat bereits vorgeschlagen, mit der Gewerkschaft über einen Lohnzuschlag zu verhandeln, wenn parallel dazu die 40-Stunden-Woche eingeführt werde. Sein rheinland-pfälzischer Amtskollege und SPD-Vize Kurt Beck begrüßte diesen Vorschlag.

Ver.di jedoch rechtfertigt den Streik damit, dass bei einer Verlängerung der Arbeitszeit Zug um Zug hunderttausende Stellen abgebaut werden könnten. Allerdings geht es auch ums Geld: Die Gewerkschafter befürchten Lohneinbußen, denn Teilzeitkräften mit fester Stundenzahl droht ein Entgeltverlust, wenn ihr Verdienst auf Basis einer höhere Wochenstundenzahl berechnet wird.

Ein mögliches Modell wäre ein Weg, den eine Universitätsklinik wählte und über den Gewerkschafter in Baden-Württemberg diskutierten. In dieser Klinik arbeiten jüngere Arbeitnehmer 39 Stunden in der Woche, ältere Beschäftigte hingegen etwas kürzer. Bei den Beamten gibt es in einigen Bundesländern bereits nach dem Alter gestaffelten Wochenarbeitszeiten. Der Abschluss der Universitätsklinik sei aber „keine Verhandlungsgrundlage“, betonte ein Sprecher des Ver.di-Bezirks Baden-Württemberg.

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