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MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

MALTE GÖBEL

Als sich 1968 Musiker von The Byrds, The Hollies und Buffalo Springfield zusammentaten, wusste die Musikwelt bereits: Da wird was draus. Dabei war es durchaus ein Wagnis, David Crosby, Graham Nash und Stephen Stills gemeinsam ins Studio zu lassen: drei Alpha-Frontmänner, die auf ihrer Autonomie noch im Bandnamen beharrten und sich auch auf keinen anderen Titel für die erste Platte einigen konnten als „Crosby, Stills & Nash“ – wie die Band. Na gut, die drei hatten schon im Haus von „Mama“ Cass Elliot zusammen gesungen, das hatte spontan gut geklappt. Aber dass die drei auch 55 Jahre später noch als Trio durch die Arenen dieser Welt tingeln würden, war nicht absehbar. Am Samstag gastieren die drei hochdekorierten Singer-Songwriter in der Max-Schmeling-Halle und singen die alten Hits, die mindestens 40 Jahre alt sind. Auch an den drei Songwritern ist die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen, die Haare sind schon lange weiß, David Crosby trägt sie noch als Matte. Stephen Stills ist schwerhörig, Crosby hat eine geborgte Leber – aber sie stehen auf der Bühne, große Sprünge taten sie dort eh noch nie, im Vordergrund steht die Musik. Sie singen „Carry On“, „Hopelessly Hoping“, „Almost cut my hair“, „Marrakesh Express“, „Teach Your Children“ und „Cathedral“, würzen das ganze mit politischen Aussagen – so weit sind sie Kinder ihrer Zeit: Damals waren sie gegen den Vietnamkrieg, auch heute gibt es noch genug Themen, zu denen sie etwas zu sagen haben. (28. 6., Max-Schmeling-Halle)

Musikalische Erinnerungen gehören zu den tiefsten Erinnerungen, die wir haben. Darauf beruft sich das Musiktheater „Dem Weggehen zugewandt“ ab Freitag im Radialsystem: Eine Melodie von früher kann längst vergangene Gefühle hervorrufen, dazugehörige Menschen erscheinen lassen, Namen, Jahreszeiten. In diesem unbekannten Land des Alters, wenn die kognitiven Fähigkeiten nachlassen, eröffnet die Musik Wege zu unserer eigenen Geschichte, die schon verloren schien. Im Alter können Erinnerungen genauso real sein wie das alltägliche Leben. Das Stück basiert auf Texten der fast 90-jährigen Autorin Ilse Helbich, inszeniert hat es Maria Magdalena Ludewig, 30 – schon allein diese Konstellation verspricht einen interessanten Generationendialog. Sechs SchauspielerInnen im Seniorenalter stehen auf der Bühne, darunter Irm Hermann, 70, Bärbel Bolle, 71, und Tanzlegende Fe Reichelt, 86, sowie der 45-köpfige „Chor der Alten“. „Dem Weggehen zugewandt“ (mit Musikern des Solistenensembles Kaleidoskop und einem Libretto von Manuela Kerer) wurde Mitte Mai im Hamburger Kampnagel uraufgeführt, vor ausverkauftem Haus und mit großem Presseecho. (28.–30. 6., Radialsystem)

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