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Leyen in the Sky with Diamonds

Zum 100. Geburtstag des LSD-Erfinders testeten deutsche Spitzenpolitiker die Droge

„Kaum hatte ich es genommen, fühlte ich, wie mein Bart in unfassliche Länge wuchs“

Es ist nicht nur Mozart-, Heine- oder Rembrandt-Jahr, es ist auch Hoffmann-Jahr. Am 11. Januar 2006 wurde der Jahrhundertforscher Dr. Albert Hofmann 100 muntere Jahre jung. Um den Entdecker des LSD (Lysergsäurediethylamid) zu würdigen, hat Die Wahrheit Spitzenkräfte aus Politik und Wirtschaft gebeten, über ihre Erfahrungen mit der sagenumwobenen Droge zu berichten.

Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (CDU, 47):

Es passierte irgendwann vor meiner glänzenden Approbation. Eventuell war es kurz nach der problemlosen Geburt meines vierundzwanzigsten Kindes. Ich hatte schon allerlei hinter mir! Supererfolgreich in Beruf, Politik und nicht zuletzt als Mutter. Und doch! Ich wollte wissen, wer diese erstaunliche Frau von der Leyen wirklich ist. Ein Kommilitone empfahl mir, die „Reise nach innen“ anzutreten. Gesagt, getan! Ich brachte meine 48 Kinder zur Tagesmutter, hielt fünf Pflichtreferate an der Uni, begleitete neun Chefarztvisiten und verfasste eine 300-seitige Denkschrift für die CDU Niedersachsen. Weil ich mich etwas mehr beeilt hatte als sonst, blieben mir ganze sechs Stunden, bis die „Kids“ zum Mittagessen abgeholt werden mussten. Neugierig warf ich den Trip. Zuerst spürte ich nur wenig. Ein Gerumpel im Bauch, so als würden darin 96 Kinder um die Wette strampeln. Dann drehte mein Kopf sich mehrmals um die eigene Achse, bis mein Hals einer Dübelschraube ähnelte. Ich wurde als „sensationelle Weltneuheit“ ins Eisenwarensortiment von OBI aufgenommen. Man verarbeitete mich in kleinen Gartenschuppen und gewaltigen Hängebrücken. Und nun halte ich als Mitglied des Bundeskabinetts auch diesen Laden zusammen!

Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg und Vorsitzender der SPD (52):

Kurz vor der Wende war den Stasi-Schergen alles recht, um Dissidenten wie mich und meine Freunde mundtot zu machen. Darum beträufelten sie in unserer Kirche die Oblaten mit LSD. Kaum hatte ich bei einem Protestgottesdienst das Abendmahl eingenommen, fühlte ich, wie mein Bart in unfassliche Länge wuchs. Bald umwucherten seine Ausläufer die Mauer und die Todesanlagen und rissen alles nieder. Die Frauen waren schier verrückt nach mir – Bärbel Bohley, Marianne Birthler und sogar Regina Hildebrandt! Ich habe aber lieber Willy Brandt geheiratet.

Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (CSU, 61):

Ende der Sechziger war in Unterfranken von Apo oder Hippie nix zu spüren. „Frei sein, high sein“? Unsere größte Gaudi bestand darin, Leim aufs Plumpsklo zu schmieren, bevor Großvater sein Geschäft erledigte. Eines Tages freilich kam der Schumpeter-Heinrich aus Berlin zu Besuch. Er studierte da Jura oder sonst einen Käs’. Er schenkte jedem von uns ein lustig bedrucktes Fetzerl Papier und sagte: „Wenn ihr dran lutscht, geht die Post ab!“ Die anderen Burschen trauten sich nicht und klebten ihre Fetzerl aufs Plumpsklo. Der Großvater wollte das Häusl den ganzen Tag nicht verlassen! In der Nacht leckte ich wie eine Ziege an meinem Fetzerl. Plötzlich knallte ich aus dem Bett und gegen die Decke. Ich brach durchs Dach und flog immer schneller hinauf. Ich besuchte Jupiter, Pluto, andere Sonnensysteme und jagte auf Andromeda zu. Was mir die Sache aber fad werden ließ, war der Gedanke: „Hoffentlich kehr ich zeitig heim! Ich wüsst doch zu gern, ob der Großvater immer noch auf dem Klo sitzt.“

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit (SPD, 56):

Als Bundesministerin für Gesundheit habe ich zum hundertsten Geburtstag von Dr. Hofmann persönlich seine Droge daraufhin geprüft, ob sie rezeptfrei gestellt werden kann. Außer einer gewissen Intensivierung der Helligkeits- und Farbwahrnehmung konnte ich nichts Bedenkliches feststellen. LSD wird deshalb bald an allen Imbissbuden für Orchideenwurst, Sternstaubfrikadellen und Korallenherzfritten erhältlich sein. Natürlich zuerst an meinem Stammimbiss hier in Berlin! Die Pegasusküken, die beim Verzehr Arien von Donizetti singen, kann ich übrigens sehr empfehlen.

Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA, 67):

Was viele nicht wissen – in meiner Zeit als Vertriebsleiter für Siedewasserreaktoren bei der AEG in Frankfurt war ich ein echter Pistengänger und stets darauf erpicht, neue Erfahrungen zu machen. Eines Nachts in meiner Stammdisco wurde mir LSD angeboten. Man spielte meinen Lieblingssong, „Radar Love“ von Golden Earring. Beim Tanzen sah ich mich in einem Spiegel und erkannte mich kaum wieder: Ich trug eine Ballonmütze, ein Ziegenbärtchen und einen schlotterigen Gehrock. Um mich herum standen Massen zerlumpter Arbeiter und schrien: „Lenin! Sprich zu uns!“ Mir aber fiel nichts ein, und darum sang ich: „There’s a voice in my head that drives my heel.“ Anschließend erklärte ich den Kapitalismus für erledigt und gab eine Lokalrunde aus. Sie können sich denken, dass ein sparsamer Schwabe wie ich aus solchen Erlebnissen Konsequenzen zieht! Jedenfalls hat die Putin-Regierung meine Besitzrechte am Lenin-Mausoleum inzwischen so gut wie anerkannt. KAY SOKOLOWSKY

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