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Mami Wata und die Missionare

NOLLYWOOD Die Galerie Dogon zeigt handgemalte Kinoplakate der afrikanischen Filmindustrie

Als die Bilder in Ghana laufen lernten, haben sie auch gelernt, Haken zu schlagen

Vermutlich passt das ganz gut zum Tag nach den Oscars. In der Bleibtreustraße öffnet sich in einem Hinterhof die Tür zu einer der umtriebigsten Unterhaltungsindustrien der Welt. Da guckt die Voodoo-Gottheit Mami Wata mit ihrem Meerjungfrauenkörper grimmig von einem Reissack hoch. Schwarze Mafiosi in schneeweißen Anzügen zelebrieren den Habitus des afroamerikanischen Hiphops. Nur dass das hier eben Afro ist, ganz ohne Amerika.

Die Galerie Dogon zeigt in jenem Bleibtreustraßenhinterhof also Filmplakate aus Ghana und Nigeria. Denn in diesem „Nollywood“-Kino, ein Wortspiel in Anlehnung an Holly-, mehr noch aber Bollywood, werden längst mehr Filme produziert als in Indien oder den USA. Ein Budget von nicht einmal 10.000 Euro steht einer solchen Produktion durchschnittlich zur Verfügung. Denn das Kino Ghanas ist ein digitales Videokino – und schneller als die Filme entstanden nur noch ihre Plakate.

Auf die Rückseiten aufgetrennter Reissäcke wurden die Plakate, die bei Dogon ausgestellt sind, in den 1990er-Jahren gemalt. Und zogen dann gemeinsam mit den Filmrollen und dem Projektor durch die improvisierten Freiluftkinos des Landes.

Genau das ist die eine Erkenntnis dieser plakativ gemalten Alltagskunst: Die Plakate erzählen von ihrer Kommunikation mit Menschen, für die das bewegte Bild eine neue Erfahrung ist. In Form eines Comicstrips oder eben einer Bildergeschichte wird deshalb die Handlung der Filme skizziert, muss also der narrative Erlebnisraum Kino erst einmal erklärt werden.

Die großen Themen des ghanaischen Films und seiner Plakate sind die zweite Erkenntnis: Religiöse Lehrstücke des in Ghana dominanten Christentums sind es zumeist, der gute Gott gegen die bösen Geister. Verwundern, ja verwirren mag dabei die Drastik des Dargestellten. Aufgerissene Leiber und blutrünstige Untote, Zombis, Zentauren, Ziegenmenschen. Splatter müsste man so etwas wohl nennen – und würde dabei doch nur an den eigenen, westlichen Kinokategorien scheitern.

Am Ende hängt alles mit allem zusammen. Mami Wata, die porträtierte Voodoo-Gottheit mit dem Nixenleib, erhielt ihre Gestalt ausgerechnet von den Galionsfiguren jener Schiffe, mit der einst die christlichen Missionare nach Afrika gekommen waren. Diese Kirche ist es nun, die in der ghanaischen Filmindustrie ein machtvolles Medium gefunden zu haben scheint. Und die doch damit leben muss, dass diese cineastischen Glaubensbekenntnisse weniger von christlichen denn afrikanischen Mythologien durchzogen sind. Anders gesagt: So etwas wie Mel Brooks bibeltreues Jesus-Epos „Die Passion Christi“ käme in Ghana nicht in die Kinos.

Genau das ist denn auch die dritte Erkenntnis dieser kleinen Schau: Die handgemalten Plakatunikate – inzwischen wird auch die ghanaische Kinowerbung gedruckt – erzählen von jener Kulturtechnik, die mit dem Ethnologen Claude Lévi-Strauss als „Bricolage“ bekannt geworden ist: das Kreieren eigener, listiger Erzählungen aus dem Fundus eines kolonialen und postkolonialen Herrschaftswissens. Denn als die Bilder in Ghana laufen lernten, haben sie auch gelernt, Haken zu schlagen.

CLEMENS NIEDENTHAL

■ „Movie Movie – Handgemalte Filmplakate aus Ghana“, bis 30. März, Galerie Dogon, Bleibtreustraße 50, Mo bis Fr 11–19 Uhr, Sa 10.30–16 Uhr.

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