: Die Studenten sind reif fürs Fernsehen
Auch die Unis sind beliebtes Ziel für Werbekunden. Neuester Schrei sind Großbildschirme in den Mensen, von denen neben dem Speiseplan auch Werbespots flimmern. Finanziellen Gewinn machen die Unis dadurch allerdings nicht
Die Wände sind übersät mit Hochglanz-Werbeplakaten, an allen Eingängen werden Reklameflugblätter verteilt, und im Foyer stehen „Promotion-Teams“, bereit, den Studierenden noch einen neuen Handyvertrag oder eine Versicherung anzudrehen. Es ist nicht leicht, die große Mensa in der Silberlaube Freien Universität (FU) zu betreten, ohne auf halbem Weg im Verkaufsgespräch stecken zu bleiben. Wer es trotzdem schafft, sollte sich nicht zu früh freuen. Auf großformatigen Flachbildschirmen flimmert dort an der Decke, neben der Speisekarte, der „Infotainmentkanal“ CampusTV mit bis zu 50 Prozent Werbeanteil.
Dieses „Speisenleitsystem“, so die offizielle Bezeichnung des Studentenwerks, ist die neueste Entwicklung in Sachen Werbung an den Unis. Bisher gibt es die Bildschirme samt Programm an vier Berliner Hochschulen, darunter der Technischen Universität (TU) und der FU. Im Mai sollen auch an der Humboldt-Universität (HU) die ersten Geräte installiert werden – zuerst auf dem Campus Adlershof.
„Wir stehen dieser Entwicklung sehr kritisch gegenüber“, sagt Björn Kitzmann, der hochschulpolitische Sprecher des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der FU. Er sieht in CampusTV den bisherigen Höhepunkt der Kommerzialisierung der Universität und einen „Angriff auf die politische Meinungsbildung“.
Entwickelt hat das Konzept die Münchner Infomax GmbH, die das System an 15 weiteren Unis in Deutschland betreibt. Angefangen hat sie damit bereits im Jahr 1995. Deren Geschäftsführer, Andreas Kästle, kann die Empörung nicht verstehen: „Die Studenten werden mit Werbung verköstigt, bevor sie sich mit dem Mensa-Essen verköstigen.“ Im Übrigen handele es sich um „eine Werbeform, die nicht besonders aggressiv ist“.
Auf der Webseite der Firma wird potenziellen Werbekunden erklärt, was den Infotainmentkanal so attraktiv macht: „Zielgruppe: 100 Prozent Studentinnen und Studenten, die Entscheider von morgen“. Und es bestehe „höchste Ausstrahlungssicherheit durch die enge Zusammenarbeit mit den Studentenwerken“. Das Geschäft läuft gut, sagt Kästle. Große Firmen wie Siemens, Microsoft oder die Hypovereinsbank haben bereits Werbespots im CampusTV-Programm platziert.
Bezahlt werden die Geräte vom Studentenwerk. Zu welchen Anteilen die Gewinne am Ende geteilt werden, behält Kästle lieber für sich. Für die Berliner Universitäten scheint es sich um ein schlechtes Geschäft zu handeln. Nach Angaben des Studentenwerks könne mit der Beteiligung an den Werbeeinnahmen von CampusTV lediglich „die Anschaffung und der Betrieb der Displayanlagen gegenfinanziert werden“. Man profitiere aber davon, dass die Speisepläne jetzt zentral über den Computer eingegeben und angezeigt werden könnten.
Doch nicht nur Fernsehwerbung steht an den Berliner Unis hoch im Kurs. Alle drei Universitäten haben Exklusiv-Verträge mit großen Werbefirmen, die sich um die Organisation der Werbung auf dem Campus kümmern. Laut Vertrag dürfen unkommerzielle Werbematerialien, wie zum Beispiel für politische Themen, von den Studierenden nicht mehr einfach ausgelegt werden. Es muss vorher bei der verantwortlichen Firma dafür um Erlaubnis gebeten werden. Nicht genehmigte Plakate und Flugblätter werden entfernt. „Wir haben Mitarbeiter vor Ort, die mit regelmäßigen Kontrollgängen überprüfen, ob nicht angemeldete Werbematerialien ausliegen“, erklärt Astrid Wozniak von der Firme Deutsche Hochschulwerbung. Ihr Unternehmen hat Werbeverträge mit mehr als 80 deutschen Hochschulen, darunter auch mit TU und HU. JOHANNES RADKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen