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Freigänger ist freigestellt

RESOZIALISIERUNG Auch der zweite Versuch eines verurteilten Straftäters, bei Eurogate in Bremerhaven zu arbeiten, ist am Protest der Belegschaft gescheitert. Nun ist der Mann vorerst vom Dienst freigestellt

„Die Freistellung erfolgte in Absprache mit dem Mann“

ANDREAS BERGEMANN, EUROGATE-CHEF

Der verurteilte Sexualstraftäter, der seit Ende Juni versucht, als Freigänger wieder bei seinem alten Arbeitgeber Eurogate in Bremerhaven zu arbeiten, ist vorläufig bei vollen Bezügen von der Arbeit freigestellt. Zwei Wochen lang war er krank geschrieben, nachdem 300 Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit niedergelegt hatten – aus Protest gegen seine Wiedereinstellung. Der Mann war 2011 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Seine Strafe verbüßt er mittlerweile im offenen Vollzug, er darf also das Gefängnis verlassen, um arbeiten zu gehen. Aber weder bei der Belegschaft noch bei der Unternehmensleitung ist er erwünscht.

Zweimal hat Eurogate versucht, dem Mann zu kündigen. Zweimal hat das Arbeitsgericht Bremen die Kündigung für unwirksam erklärt. Gegen das jüngste Urteil ist Eurogate in Berufung gegangen, denn dem Unternehmen ist laut Arbeitsdirektor Andreas Bergemann durch den Streik bereits ein Schaden in fünfstelliger Höhe entstanden. Anfang der Woche drohte der noch größer zu werden drohte. Als der Freigänger seine Arbeit wieder aufnehmen wollte, legte die Belegschaft erneut die Arbeit nieder. Mit Erfolg.

„Die Freistellung erfolgte in Absprache mit dem Mann“, sagt Bergemann. Eurogate habe gehofft, dass die Schicht, zu der er nach seiner Krankschreibung eingeteilt wurde, nicht mit Streik reagieren werde. „Aber da haben wir uns leider getäuscht.“ Binnen einer Stunde sei die Belegschaft sechsmal aufgefordert worden, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, aber sie weigerte sich. Das sei zwar kein zulässiges Verhalten, aber um den Betriebsfrieden zu wahren und weiteren finanziellen Schaden abzuwenden, sei der Freigänger nun erst einmal freigestellt worden. „Wie es weitergeht, prüfen wir derzeit juristisch“, sagt Bergemann.

Eurogate hätte auch mit Abmahnungen oder Lohnkürzungen für die Belegschaft reagieren können, denn bei deren Streik handelte es sich um eine unerlaubte Arbeitsverweigerung. Dem widerspricht Bergemann nicht, aber solche Maßnahmen hätten die Situation nur verschärft. „Wir müssen uns schützend vor den Mann stellen, aber Fürsorgepflicht bedeutet auch, den Frieden zu wahren – alles andere wäre kontraproduktiv.“ Eine korrekte Herangehensweise gebe es nicht. „Ob und wie ein Arbeitgeber sanktioniert, bleibt ihm überlassen“, so Bergemann.

Nicht überlassen bleibt ihm jedoch, ob er den Freigänger freistellt oder nicht. Laut Arbeitsgerichtsurteil muss Eurogate den Mann nun tatsächlich beschäftigen – sonst droht dem Unternehmen die Zahlung eines Zwangsgeldes.   SIMONE SCHNASE

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