: Mehr Stellen, weniger Jobs
In ihrem neuen Arbeitsmarktbericht freut sich die Regionalagentur über ein Viertel mehr offene Stellen im Vergleich zu Januar. Die Zahlen sind allerdings zu hoch, die Jobs oft nur auf Zeit
VON MAIK BIERWIRTH
Die Arbeitsagentur in NRW versucht mit Jubelmeldungen, die Lage am Arbeitsmarkt schön zu reden. 50.720 neue freie Jobs vermeldete sie gestern für Februar – das sind 10.500 oder 26 Prozent mehr als im Januar. Prompt sprach die Leiterin der Regionaldirektion NRW, Christiane Schönefeld, von einem „günstigen Trend“ bei der Nachfrage von Arbeitskräften und von einer „allgemein positiven Stimmung der Wirtschaft“. Arbeitsmarktforscher Thomas Münch von der Fachhochschule Düsseldorf kann derzeit allerdings keine Entspannung am Arbeitsmarkt erkennen: „Das ist nur ein Pfeifen im Wald.“
Tatsächlich ist ein Großteil der neuen Stellen wenig qualifiziert und noch dazu reine Saisonarbeit – vor allem in den Bereichen Gastronomie, Bau und Landwirtschaft, wie Agentursprecher Werner Marquis auf taz-Nachfrage erklärte. Und auch die Gesamtzahl der offenen Stellen von 92.390 im vergangenen Monat ist offenbar mit Vorsicht zu genießen: Denn viele der Stellenangebote seien nicht wirklich aktuell, gab Marquis zu. „Manche der mittleren und kleinen Unternehmen melden uns nicht, wenn die Stellen bei ihnen besetzt sind.“
Das ZDF-Magazin WISO hatte am Montag über geschönten Zahlen der Arbeitsagenturen bei den offenen Stellen berichtet und aus einer Studie zitiert, die von der Arbeitsagentur in Hessen in Auftrag gegeben worden war. Marquis bestätigte, das Problem sei auch in NRW bereits seit längerem bekannt. „Wir können ja nicht jeden Tag beim Arbeitgeber anrufen und fragen.“ Als ein weiteres Problem, das die Zahlen verfälschen kann, nannte Marquis die Personalvermittlung über Zeitarbeitsfirmen. Viele Unternehmen beauftragten verschiedene Zeitarbeitsfirmen mit der Beschaffung von Arbeitskräften. Der Agentur werde dann ein und dieselbe offene Stelle mehrfach gemeldet wird.
Insgesamt habe sich die Situation in letzter Zeit jedoch verbessert, betonte Marquis. Vor allem nachdem die Agentur Teams eingesetzt habe, die sich eigens mit der Arbeitgeberbetreuung beschäftigen. Harald Thomé vom Wuppertaler Arbeitslosenverein Tacheles kann dies allerdings nicht bestätigen. Der Service für Arbeitgeber sei verbesserungswürdig: „Die Agenturen halten sich nicht mal daran, wenn ein Unternehmer keine Bewerber möchte, die nur aus Angst vor Sanktionen antanzen. Keine Wunder, dass viele sich die Mitarbeiter lieber selbst suchen.“
Wenig Grund zur Freude bietet auch die neue Arbeitslosenzahl: Sie ist in Nordrhein-Westfalen im Februar erneut gestiegen und liegt jetzt bei 1.088.110, das ist eine Quote von 12,3 Prozent. Dafür könne man die Arbeitsagentur allerdings nicht verantlich machen, sagte Münch. „Sie ist weder für die Streichung noch für die Schaffung von Arbeitsplätzen verantwortlich.“ Dafür müsse die Politik endlich vernünftige Konzepte entwickeln.
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