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Erhaltet die Sympathien!

Neuvermietung verhindern

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Die Familie Gülbol aus Kreuzberg hat dem großen Thema der Verdrängung ein Gesicht gegeben. Über zwei Jahrzehnte lebte Malermeister Ali Gülbol mit seiner Frau und später den drei Kindern in der Wohnung in der Lausitzer Straße. Was sonst oft still und leise geschieht, wurde hier zum Politikum: Als die Wohnung der Gülbols im Februar wegen höherer Mietforderungen zwangsgeräumt wurde, blickte die halbe Stadt darauf. Dass steigende Mieten ein ernstzunehmendes Problem sind, sollte spätestens dann dem letzten Politiker in Land und Bund klargeworden sein.

Dass das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ nun auch die Neuvermietung der ehemaligen Gülbol-Wohnung stoppen will, ist nur folgerichtig: Der symbolische Kampf um die Wohnung geht in die nächste Runde, und die Debatte über Verdrängung wird immer härter.

Keine Gewalt

Die Frage ist nur, mit welchen Methoden die Aktivisten ihr Ziel zu erreichen versuchen. Verteilen sie wie angekündigt Flugblätter unter Nachbarn und machen sie potenzielle neue Mieter verbal auf die Situation aufmerksam, ist das legitim. Werfen sie Farbbeutel oder schmeißen Scheiben ein, wie es Gentrifizierungsgegner etwa bei der Liebigstraße 14 taten, ist das dagegen schlicht Psychoterror – und ein undemokratisches Mittel des Protests.

Selbst wenn früher oder später doch jemand in die Gülbol-Wohnung einzieht – was wahrscheinlich geschieht –, darf die Situation nicht in Gewalt gegen Dinge oder gar Menschen ausarten. Sonst verspielen die Aktivisten genau das, was den Gülbol-Fall bisher so besonders gemacht hat: die Sympathien einer breiten Öffentlichkeit.

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