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Sei lieber unnormal!

GESCHICHTEN „Flamingos“ von Ulrike Almut Sandig

Es gibt auch schwache Geschichten in diesem Buch. Ulrike Almut Sandig hat als Lyrikerin angefangen und nun ihr erzählerisches Debüt vorgelegt: „Flamingos“, elf Geschichten, davon mindestens sieben gute.

In den schlechteren bleiben Erzählhaltung und Erzähltes zu sehr im Rahmen. In den starken – es gibt auch sehr starke Geschichten! – zeigt Sandig ein Faible dafür, Familiengeschichten anhand von Randfiguren zu erzählen, und sie bedient sich leichthändig bei Musik und Vogelkunde, um unterstreichende Bilderwelten zu schaffen. „Hush Little Baby“ ist die ausgezeichnete Geschichte eines Jungen, der seinen vermeintlichen Zwillingsbruder bei der Geburt (oder vorher) verloren bzw. sich einverleibt hat und fortan eine andere Art Schizophrenie durchmacht, die mit einer großen Liebe zur Musik einhergeht, speziell zum Jazz. Und das bis zum Abitur. Samt bizarrem Ende auf einer Fußgängerbrücke.

Sehr gut ist Sandig auch, wenn sie Geschichte mitschwingen lässt, wenn sie von Kindheiten und Familien in der DDR oder dem halb bewussten Erleben von Wende und Wiedervereinigung erzählt. Ulrike Almut Sandig, Anfang 30, wuchs bei Riesa auf und lebt in Leipzig.

„Alle in diesem Band versammelten Geschichten sind phantastischer Natur“, steht in den Anmerkungen, tatsächlich ist diese Prosa sehr bemüht, Frische, Unvermittelbarkeit und einen Grad von Entrückung durchzuspielen. Richtig fantastisch wäre es, wenn Ulrike Sandig die normale Mitte der Gesellschaft nicht anhand der gesetzten Randständigkeiten als umso normaler behaupten würde, sondern als ebenso fantastisch und ebenso verrückt und, wenn man so will, krank wie der Rest. Wie sie ja nun mal auch ist. RENÉ HAMANN

Ulrike Almut Sandig: „Flamingos“. Schöffling, Frankfurt am Main 2010, 176 Seiten, 17,90 Euro

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