: Stabilisierender Effekt
NACHGEHAKT Eine Bürgerinitiative will die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens europaweit wieder in Schwung bringen
Die Europäische Bürgerinitiative für das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Idee gegen die Krise und hat bislang 58.363 Unterschriften gesammelt. Wenn die Zahl bis Mitte Januar nächsten Jahres auf eine Million steigt, muss die EU-Kommission ihre Mitgliedstaaten dazu drängen, das Projekt voranzutreiben.
Es handelt sich hier um einen innovativen Versuch einer gemeinsamen europäischen Sozialpolitik, die es bisher kaum gibt. Denn eigentlich gehört das Thema in die Kompetenz der Nationalstaaten. Angesichts der Schuldenkrise könnte das Grundeinkommen jedoch positive Effekte entfalten: Die Basisabsicherung für alle würde der Verelendung entgegenwirken und gleichzeitig Nachfrage schaffen, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Zu den deutschen Unterstützern der europäischen Bürgerinitiative gehören die Globalisierungskritiker von Attac, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, die Piraten sowie Teile der Grünen und der Linken. Ronald Blaschke, Mitarbeiter der Linken-Chefin Katja Kipping, ist einer der wichtigsten Organisatoren.
Das bedingungslose Grundeinkommen, dem auch eine Demonstration in Berlin am 14. September gewidmet ist, stand in Deutschland schon mal höher im Kurs, zwischen 2005 und 2010. Damals wirkte die Empörung über die rot-grünen Hartz-Gesetze nach, die Arbeitslosigkeit war höher und Prominente wie Götz Werner, Chef der Drogeriekette dm, schrieben dicke, zornige Bücher über Deutschland als verfallenden Sozialstaat. Dass ein Milliardär ein arbeitsloses, staatliches Einkommen für alle Bürger verlangte, machte die Forderung populär.
Mittlerweile ist es wieder ruhiger um das Konzept geworden. Es gibt zwar Dutzende engagierte Gruppen, außerdem das Netzwerk Grundeinkommen. Doch im parteipolitischen Raum setzt sich die Forderung nicht richtig durch. Nur die kleine Piratenpartei befürwortet das Grundeinkommen, allerdings ohne konkrete Vorstellungen davon. Linkspartei und Grüne wollen die Forderung offiziell weiter diskutieren und vielleicht in der kommenden Legislaturperiode eine Enquetekommission im Bundestag einsetzen, sagt Grünen-MdB Wolfgang Strengmann-Kuhn. Bei der SPD mögen sich nur wenige Leute überhaupt vorstellen, dass Menschen ohne Arbeit glücklich sein können. Und bei FDP und CDU gibt es höchstens einzelne Unterstützer des Grundeinkommens – denen aber ist der Wortführer abhandengekommen, als der frühere thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus sich beim Skilaufen schwer den Kopf stieß.
Die wichtigsten Gründe für die überall zu beobachtende Zurückhaltung: Es ist ethisch schwer zu begründen, warum jemand ohne Not Geschenke vom Staat erhalten soll. HANNES KOCH
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