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CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI

Gut gemeint, mies gemacht

Wann lässt man ein Kind bei seiner Mutter, wann nimmt man es ihr weg? „So eine Entscheidung ist immer eine Gratwanderung“, erklärt der Leiter des Kölner Jugendamtes den Kommissaren, die im neuen Fall mit den Möglichkeiten und Grenzen des Kinderschutzes konfrontiert werden. Denn unglücklich ausgegangen ist die Gratwanderung bei der überforderten Teenagermutter Stefanie, die eines Morgens angetrunken nach Hause kommt: Ihre vierjährige Tochter ist verschwunden – und im Wohnzimmer liegt erstochen der zuständige Mann vom Jugendamt.

Ein weiterer Themenkrimi aus Köln ist „Kaltes Herz“ (Buch: Ralf Leuther und Peter Dommaschk) geworden. Doch wie die Episoden zuvor leidet auch diese am Widerspruch zwischen Anspruch und Umsetzung. Was ist da los beim WDR, wo politische Aufreger einst in klug gebaute, anrührend gespielte Täterrätsel verpackt wurden? Nun aber trägt man pflichtschuldigst alle Aspekte zusammen, ohne den politischen oder melodramatischen Dimensionen des Stoffes gerecht zu werden.

Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) tapsen staunend durchs Hartz-IV-Milieu, verteilen aufmunternde Schulterklopfer oder legen die Stirn in Sorgenfalten, wenn sie der Überlastungen des freundlichen Sozialarbeiters Hellwig (Charly Hübner) gewahr werden. So richtig annähern tun sie sich aber keiner Figur – auch weil die Handlung unter der Regie von Thomas Jauch in viele Subplots zerfällt. So wird ausgerechnet Kollegin Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) schwanger und denkt über Abtreibung nach – ein Plan, den sie aber unter den Dackelblicken von Schenk und Ballauf wieder verwirft.

Am Ende wird der Zuschauer mit Pflegeeltern konfrontiert, die das Amt durch Doppelbelegungen zu täuschen scheinen. Da schleicht sich doch glatt eine besonders perfide Wendung in den gut gemeinten Aufklärungskrimi: Pflegeeltern als Abzocker.

Köln-„Tatort“: „Kaltes Herz“, So., 20.15 Uhr, ARD

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