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Mein Vermieter, der Finanzjongleur

Die amerikanische Investorengruppe Fortress erwirbt den gesamten Wohnungsbesitz der Stadt Dresden. Die Bürgerbewegung „Woba erhalten“ und der Mieterbund wehrten sich vergeblich gegen den Verkauf. Den Bewohnern drohen Mieterhöhungen

AUS BERLIN MAURITIUS MUCH und SARAH STEFFEN

Matthias Moser ist Herr über ein kleines Team. Weniger als zehn Personen arbeiten für den Deutschlandchef des US-Finanzinvestors Fortress. Doch dieses Grüppchen verfügt über jede Menge Geld, um in großem Stil in den deutschen Immobilienmarkt zu investieren. Für fast 1,7 Milliarden Euro kauften sie jetzt der Stadt Dresden die Wohnungsbaugesellschaft Woba mit 48.000 Wohnungen ab.

Aber Dresden ist nicht das erste große Immobiliengeschäft für die Investorengruppe, die 1998 in New York gegründet wurde. In den vergangenen beiden Jahren kaufte sie die Essener Wohnungsbaugesellschaft Gagfah und das Wohnunternehmen Nileg aus Hannover mit insgesamt rund 130.000 Wohnungen. Das Geld stammt aus Fonds, die sich vor allem aus amerikanischen Pensionskassen speisen.

Die Immobilienkäufe sind nur ein Teil der Strategie von Fortress. „Momentan versuchen sie, in ganz Deutschland einen möglichst breit gefächerten Immobilienbesitz zu erwerben“, erklärt Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt. Die Investorengruppe wolle so ein möglichst attraktives Immobilienpaket zusammenstellen, um es in drei bis vier Jahren mit hohem Gewinn an der Börse weiterzuverkaufen.

Daneben verspricht sich Fortress nach eigenen Angaben in drei Jahren eine Rendite von 5 Prozent. An einer leichten Mieterhöhung kämen die Dresdner deshalb wohl kaum vorbei, sagt Andreas Pfnür. Ansonsten drohe den Mietern wenig Ungemach.

Anders sieht das der Deutsche Mieterbund. Die Sozialcharta, auf die sich die Stadt Dresden mit der Investorengruppe geeinigt hat, sei eine Mogelpackung, sagt der Direktor des Mieterbundes, Franz-Georg Rips. Die Charta soll etwa Luxussanierungen verbieten und Mieterhöhungen auf jährlich 3 Prozent plus Inflationsausgleich begrenzen. Doch die Tücke steckt im Detail: Die Mieterhöhungsbegrenzungen bezögen sich nämlich auf den Gesamtdurchschnitt aller Woba-Wohnungen und nicht auf die einzelnen Wohnungen, sagt Rips. Das heißt, einzelne Mieter dürften doch Erhöhungen bis zu den rechtlich erlaubten 20 Prozent erhalten. So machte es 2005 Gagfah in Stuttgart. Da Fortress auf Rendite angewiesen ist, müsse der Konzern die Mieten erhöhen und Wohnungen verkaufen. Rips befürchtet, dass weniger in das Wohnumfeld investiert wird.

„Ein ganzes Stück Stadt wurde verkauft“, sagt André Schnabel, der Geschäftsführer der Bürgerinitiative „Woba erhalten“. Dadurch habe die Stadt später bei der Stadtplanung das Nachsehen. Und ohne die Woba versiegt auch eine wichtige Einnahmequelle, kamen so doch jährlich 10 Millionen Euro in die Stadtkasse. Damit habe man sukzessive die Schulden abbezahlt. Der Vorschlag der Bürgerinitiative, nur die Hälfte der Wohnungen zu verkaufen, wurde schlichtweg ignoriert, bedauert Schnabel.

Die Angst vor Mieterhöhungen ist bei vielen Bürgern geblieben – trotz der Sozialcharta. Doch anders als in Stuttgart gibt es in Dresden einen Ausweg: Man sucht sich einfach eine andere Wohnung mit einem neuen Vermieter. Bei 40.000 leeren Wohnungen kein Problem.

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