LESERINNENBRIEFE :
Hödchen gerecht geteilt
■ betr.: „Zarter Biss, nussiger Geschmack“, taz vom 3. 8. 13
Sie haben recht, die deutschen Köche haben keine Eier! Aus vielerlei Gründen werden die meisten Tiere kastriert. So können in frei laufenden Fleischrinderherden die männlichen und weiblichen Tiere zusammenbleiben. Bei den Schweinen, auch im Geruch des Spermas dem Menschen am Ähnlichsten und vielleicht auch deswegen eher weniger in den Küchen verankert, wäre das Thema sehr ergiebig. Leider versaut uns das Problem der verrufenen Ebermast den goldenen Schnitt. Kälber kommen nicht auf die Karte, sie sind aufgrund der schlechten Fleisch/Skelett-Relation ökologisch nicht vertretbar. So bleiben in der Tat nur noch die feinen Lammhoden.
Auf unsere Nachfrage übergab Heiko, unser langjähriger Schäfer und Lammfleischlieferant, unserem Küchenchef Andreas ein größeres Beutelchen mit dem Inhalt der kleineren Beutelchen dreier Lämmer und erklärte uns für verrückt. Für meine MitarbeiterInnen im Service war es eine Herausforderung, auf die Rückfrage einiger Gäste, was denn unter „Lammbeutel“ zu verstehen sei, objektiv zu bleiben. Das Gekicher konnten sie sich bis zum Kellneroffice verkneifen, und Anja wurde auch ein bisschen rot. Meine Wette war: „Unsere Gäste essen das!“, und ich habe gewonnen. Das Verkaufen von Hoden ist hier zum Wettbewerb geworden, Anja und Nadine gelang es sogar kürzlich, an einem Abend gleichzeitig das letzte Paar verbleibende testicules an zwei Tischen zu verkaufen. Wir mussten die Hödchen gerecht teilen und als Amuse-Bouche, wie der feinere Franzose einmal sagte, servieren. Eine Dame wollte mehr, was wir ihr leider nicht ermöglichen konnten. Nun haben auch wir keine Eier mehr und müssen hoffen, dass Heiko gelegentlich an uns denkt.
JEAN-PHILIPPE AIGUIER, Ruppertsberg
Jesus war Pazifist
■ betr.: „Sag, wie hältst du’s mit der Linken?“, taz vom 5. 8. 13
Im Interview mit dem Tagesspiegel schließt Frau Göring-Eckardt eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei aus, weil diese unter anderem Deutschland in der Außenpolitik isolieren würde. Was könnte damit gemeint sein? Da die Linkspartei das militärische Engagement der Bundesrepublik Deutschland im Ausland stark einschränken möchte, wäre vermutlich eine Neudefinition des Nato-Bündnisses erforderlich. Auch müssten sich die Großmannssüchtigen in diesem Land von dem Traum einer ständigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat verabschieden, sobald es Deutschland wagen würde, nach der Verweigerung beim Irakkrieg den Erwartungen der USA ein weiteres Mal nicht zu entsprechen. Auch damals ging das Gespenst der Isolierung Deutschlands um.
Was ich in diesem Zusammenhang besonders nachdenkenswert finde, ist die Tatsache, dass sich die vermeintlich eher dem Atheismus zuzurechnenden Mitglieder der Linkspartei mit ihren Ansichten viel näher an der Lehre des Jesus von Nazareth befinden als die Kirchenfrau Göring-Eckardt, und erst recht als die sich „christlich“ nennenden Parteien. Jesus war Pazifist und der Kriegsdienst war für Christen in den ersten drei Jahrhunderten verboten. Die Lehre vom sogenannten „gerechten Krieg“ wurde erst später erfunden, um die 180-Grad-Wende der Staatskirche Kaiser Konstantins, der katholischen Kirche, zu rechtfertigen. Später übernahm auch Luther das Konzept des von Gott eingesetzten weltlichen Herrschers, der berechtigt ist, „gerechte“ Kriege zu führen. RALF BÖHM, Berlin
Dopingüberwachung ohne Effekt
■ betr.: „Mit Dianabol, Anavar, Stromba …“, taz vom 5. 8. 13
Drogen sind Drogen sind Drogen …Es mutete schon immer sehr seltsam an, dass die Dopingüberwachung keinen besonderen Effekt hatte: Die Entwicklung von neuen Substanzen, die noch nicht in Tests ermittelt werden konnten, waren ihrer Entdeckung immer meilenweit voraus. Mit den jetzt publik gewordenen Ergebnissen der Studie „Doping in Deutschland“ erklärt sich dieses Phänomen, denn mit Hilfe von Geldern des dem Bundesinnenministerium unterstehenden Bundesinstituts für Sportwissenschaft wurden die Forschungen zur Entwicklung von leistungssteigernden Wirkstoffen über lange Zeiträume unterstützt, um sie sogleich an Sportlern zu erproben, anstatt das Dopen zu erschweren oder zu verhindern.
Ganz gegenteilig ist die restriktive strafrechtliche Drogenprohibition, die lediglich illegale Märkte hat entstehen lassen, zu Gewalt geführt hat und zur Überbelegung von Haftanstalten für nur geringen Cannabisbesitz. Für eine größere Schädlichkeit gegenüber den Dopingmitteln kann wohl kaum allgemein argumentiert werden, denn fast alle Dopingmittel haben bedenkliche Nebenwirkungen und sind für viele Todesfälle verantwortlich.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Historisch falsch
■ betr.: „Dieses Dorf bleibt rechts“, taz vom 3. 8. 13
Auf dem Titelbild ist eine schwarz-rot-goldene Windfahne abgebildet. Das erste, was die Nazis 1933 gemacht haben war: die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik durch die Hakenkreuzfahne zu ersetzen, also Schwarz-Rot-Gold abzuschaffen. Schwarz-Rot-Gold in Zusammenhang mit Naziideologie zu bringen, ist historisch falsch und eine Beleidigung all derer, die als Demokraten die Farben des Völkerfrühlings und der Märzrevolution hochhalten. Und zwar von rechts und links. In Deutschland tut man sich schwer mit Nationalgefühl. Zu Recht! Das darf aber nicht dazu führen, dass schon das Zeigen unserer Nationalfarben in eine extremistische Ecke gestellt wird. VOLKER SCHRÖDER, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen