: Kurz vor Schluss kriegen Sudanesen Angst
SUDAN Je näher die historischen Wahlen rücken, desto mehr Stimmen fordern eine Verschiebung. Sie fürchten massive Fälschung in Nord und Süd. Präsident Bashir droht Beobachtern mit Rauswurf
VON MARC ENGELHARDT
NAIROBI taz | Die Märkte waren geschlossen, die Schulen blieben zu, die Straßen waren abgesperrt. Nichts sollte die Bevölkerung in Yambio im Südwesten Sudans davon abhalten, den Wahlkampfauftritt des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir zu verfolgen. Jubel brandete auf, als Kiir auf der Ladefläche eines Pick-ups durch die staubige Innenstadt fuhr. „Wir wollen keine Gewalt während der Wahlen“, rief Kiir tausenden Anhängern der ehemaligen Guerilla Sudanesische Volksbefreiungsbewegung (SPLM) zu, die Südsudan seit 2005 autonom regiert. „Jugendliche, wacht auf, diese Wahl ist ein entscheidender Moment.“
Doch während Kiir im von 20 Jahren Bürgerkrieg zerstörten Süden des Sudans um Stimmen wirbt, kämpft seine eigene Partei dafür, die für den 11. bis 13. April geplanten Wahlen zu verschieben. „Die politische Atmosphäre lässt freie und faire Wahlen nicht zu“, erklärte Yasir Arman, der SPLM-Präsidentschaftskandidat für Sudan. Die Chancen Armans, ein Muslim aus dem Norden Sudans, den vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesuchten Amtsinhaber Omar al-Bashir zu besiegen, gelten als gering. Um Bashirs Sieg zu garantieren, so Arman, wolle seine Nationalkongresspartei (NCP) die Wahl fälschen. „Die Wählerkarten sollten im Ausland gedruckt werden, stattdessen haben Bashirs Leute sie in Khartum drucken lassen“, so Arman. „Dann haben sie versucht, die Karten im Süden von der sudanesischen Armee verteilen zu lassen statt wie vereinbart von den UN.“ Arman fordert zudem, vor den Wahlen müssten strittige Grenzfragen zwischen Nord- und Südsudan und die umstrittenen Volkszählungsergebnisse geprüft werden – das würde Monate dauern.
Weniger als drei Wochen vor der geplanten Wahl ist zudem unklar, wer eigentlich wählen darf. Entgegen aller Ankündigungen hat die Wahlkommission die Wählerlisten noch nicht öffentlich ausgehängt. „Die Wahlkommission wird von Bashirs Partei beherrscht, die werden hunderttausende SPLM-Wähler von den Listen streichen“, glaubt ein Wähler in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Ein anderer wirft der SPLM vor, selbst die Wahlen fälschen zu wollen: „Die SPLM streicht überall da Wähler aus den Listen, wo unabhängige Kandidaten mit einer Mehrheit rechnen können.“
17 Führer von Oppositionsparteien in Khartum stellten der Regierung am Montag ein Ultimatum: Wenn binnen einer Woche die Wahlen nicht auf November verschoben würden, werde man einen Wahlboykott erwägen. Unbeeindruckt von dem wachsenden Druck ist einzig Bashir. Bei einer Wahlkampfrede in Port Sudan wetterte der Präsident gegen eine Warnung des US-amerikanischen Carter Center, die Wahlen müssten verschoben werden: „Jeder Ausländer, jede Organisation, die eine Verschiebung der Wahlen fordert, wird umgehend ausgewiesen“, so Bashir. „Wenn sie sich in unsere Angelegenheiten einmischen, werden wir ihre Finger abschneiden, sie unter unseren Schuhen zertrampeln und sie rauswerfen.“ Bashir braucht die Wahl im April, um seine Herrschaft zu legitimieren: Er wirkt entschlossen, sich dieses Ziel nicht nehmen zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen