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Unabhängig von aller Kontrolle

SOZIALUNTERNEHMEN Nach der Maserati-Affäre bei der Treberhilfe gerät ein zweites Unternehmen in die Kritik: Auch bei Independent Living soll es intransparente Strukturen und personelle Verflechtungen geben

Nach der Treberhilfe gerät eine weitere Organisation in die Debatte um intransparente Strukturen bei sozialen Trägern. Der „Trägerverbund Independent Living – Verbund freier Jugendhilfeträger e. V“ wird aus den Reihen seiner eigenen Mitarbeiter kritisiert. Sie vermuten bei ihrem Arbeitgeber kriminelles Geschäftsgebaren. Der Verbund besteht aus Dutzenden Trägern, die beispielsweise betreute Jugendwohngemeinschaften, Kitas, betreutes Einzelwohnen oder sozialpädagogische Einzelfallhilfe anbieten und in denen viele hundert Mitarbeiter in mehreren Bundesländern arbeiten.

Bei der Treberhilfe war das Problem, dass das ganze Unternehmen auf einen Mann zugeschnitten war: Harald Ehlert fungiert sozusagen als Geschäftsführer und Kontrolleur in einer Person – und als SPD-Mitglied nutzte er auch politische Kontakte. Er genehmigte sich ein Gehalt, das über dem der Bundeskanzlerin lag, und fuhr einen Maserati als Dienstwagen. Bei Independent Living ist Andreas Spohn Chef des Trägerverbundes sowie von mehreren Mitgliedsorganisationen, so etwa der „Independent Living – Kindertagesstätten für Berlin gGmbH“. Spohn ist auch stellvertretender Vorsitzender des Verbandsrats des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Brandenburg – und Vorsitzender der SPD-Fraktion in Frankfurt (Oder). Für eine Anfrage zu der personellen Verquickung war er am Donnerstag nicht zu erreichen.

Private Konten

Die CDU verlangt nun mit einer Anfrage an den Senat Aufklärung. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di schwere Vorwürfe gegen Independent Living erhoben: Die dort beschäftigten Mitarbeiter hätten für die Klienten, die in ihrer Betreuung sind, privat Konten eröffnen müssen, auf die dann die Gelder vom Jugendamt geflossen seien. Die Mitarbeiter seien somit dazu angehalten worden, gegen geltendes Recht zu verstoßen.

Außerdem seien laut der Gewerkschaft Gelder der Klienten auf Privatkonten verwaltet worden, auf die weder das Jugendamt noch der Träger selbst Zugriff gehabt habe. So sei es in einem Fall dazu gekommen, dass ein Mitarbeiter des Trägers verstorben ist und die sich noch auf dem Konto befindlichen Gelder des jugendlichen Klienten in die Erbmasse des Mitarbeiters eingeflossen seien. Ein Zugriff des Jugendlichen selbst oder des Trägers sei dadurch nicht mehr möglich gewesen. Außerdem sei bei Independent Living die Bildung eines Betriebsrats verhindert worden, viele Mitarbeiter hätten zudem nur geringe Löhne erhalten. SEBASTIAN HEISER

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