: Der Kühlschrank verlässt den Wald
Bisher entsorgen viele Verbraucher ihren Elektroschrott auf wilden Deponien oder im Hausmüll. Jetzt wird er von den Kommunen eingesammelt
VON BEATE WILLMS
Man kann die Geschichte so oder so erzählen: Künftig können sich die Verbraucher auf mehr Arbeit und höhere Abfallgebühren einstellen. Oder: Künftig müssen die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten alte und defekte Geräte kostenlos zurücknehmen und entsorgen.
Es geht um das Elektrogesetz (ElektroG), das am 24. März in Kraft tritt. Ab diesem Tag dürfen alte Rasierapparate, Leuchtstoffröhren, Handys oder Tamagotchis nicht mehr in die Mülltonne geworfen werden. Die Kommunen müssen den Elektro- und Elektronikschrott einsammeln, die Hersteller dafür sorgen, dass er umweltgerecht recycelt oder entsorgt wird.
Derzeit produzieren allein die Deutschen rund 1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott im Jahr, der oft genug im Restmüll oder auf Deponien landet. Und damit auch giftiges Quecksilber und andere Schadstoffe, aber auch wertvolle Edelmetalle.
Hier soll das neue Gesetz Abhilfe schaffen, das zwei Richtlinien der EU von 2002 umsetzt. Die Idee: Die Verantwortung von Unternehmen für ihre Produkte endet nicht mit deren Verkauf oder der Garantiezeit, sondern erst nach der Entsorgung. Entsprechend lange hat es bis zur Gesetzesform gedauert– die ersten Diskussionen und politischen Kämpfe um das ElektroG fanden schon Mitte der 90er-Jahre statt.
Register für Altgeräte
Das System funktioniert nach dem Verursacherprinzip. Wer mehr produziert, muss auch mehr entsorgen. Um die Verteilung nicht der Politik zu überlassen, haben der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sowie Bitkom den Aufbau eines flächendeckenden Systems übernommen. „Das kann beispielhaft werden“, sagt Helge Wendenburg, der die Abteilung Abfall beim Bundesumweltministerium leitet. „Möglichst viel Umweltschutz mit möglichst viel Wettbewerb“ – das sei „innovativ und entlastend“.
Konkret haben ZVEI und Bitkom die Stiftung Elektro-Altgeräte Register gegründet. Hier muss sich jeder registrieren lassen, der elektrische oder elektronische Geräte herstellt oder importiert. Und er muss nachweisen, dass er einen Vertrag mit einem Entsorger abgeschlossen hat. Wer ohne einen solchen erwischt wird, kann seit dem 24. November 2005 mit einem Bußgeld von 50.000 Euro und einem strikten Verkaufsverbot rechnen.
350 bis 500 Millionen Euro koste das die Unternehmen, erklärt Otmar Frey vom Branchenverband ZVEI. Letztlich dürfte es aber wohl eher der Verbraucher sein, der die Mehrkosten über höhere Preise trägt. Das allerdings findet Jutta Penning vom Umweltbundesamt völlig in Ordnung: „Wer elektrische oder elektronische Geräte kauft, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Entsorgung Geld kostet, wenn man die Umwelt nicht weiter schädigen will.“
Vorbild Mönchengladbach
Um es den Verbrauchern möglichst einfach zu machen, sind die Kommunen weiterhin für das Einsammeln zuständig. Sie nehmen den Müll an und sortieren ihn nach Haushaltsgroßgeräten, Kühlschränken, Bildschirmgeräten, Leuchtstoffröhren und Elektrokleingeräten. Die von den Herstellern beauftragten Entsorger holen den Schrott dann ab und verwerten oder entsorgen ihn. Manche Städte haben sich sogar selbst um die Entsorgung beworben. Berlin beispielsweise hat sich die Haushaltsgroßgeräte ohne Kühlschränke ausbedungen. „Bei den derzeitigen Stahlpreisen lohnt sich das“, sagt Gesa Hunger, Sprecherin der Berliner Stadtreinigung.
Die größten Anlaufschwierigkeiten dürfte es an der Schnittstelle Verbraucher und Kommunen geben. Denn hier gibt es kein einheitliches Modell. „Manche Städte haben kein Problembewusstsein entwickelt“, sagt Eva Leonhardt von der Deutschen Umwelthilfe. In manchen Orten werden die Verbraucher deswegen zunächst längere Wege in Kauf nehmen müssen, um alte Toaster und Föhne an den zentralen Sammelstellen abzugeben. Das ist dann zwar kostenlos. Aber manche Kommune liebäugelt auch schon mit höheren Abfallgebühren. Und mit Bußgeldern für Verbraucher, die ihre Elektrogeräte nicht ordnungsgemäß abgeben.
Dabei haben es die Kommunen selbst in der Hand, wie gut der Verbraucher das Gesetz annimmt. Und auch, wie gut es sich für sie rechnet. Die Stadt Mönchengladbach hat nicht nur frühzeitig mit der Planung, sondern auch mit der Öffentlichkeitsarbeit angefangen. Hier wird es neben dem Sperrmüll regelmäßige kostenlose Sammlungen für alle Gerätearten geben. Damit solche Beispiele Schule machen, vergibt die Deutsche Umwelthilfe monatlich einen Preis „Green Electronics“. Erster Preisträger: Mönchengladbach. Der schönere Preis für Oberbürgermeister Norbert Bude ist jedoch, dass sich das Ganze für die Stadt rechnet: „Die Abfallentsorgung ist sogar billiger geworden.“
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