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Und immer wieder diese Vorurteile

MITTENDRIN Egal wie lange sie hier leben – Migranten in Deutschland gehören nie richtig dazu. Eine Kampagne soll nun zeigen, wie sich Ausgrenzung anfühlt. Wir haben sechs Migranten gefragt, wie sie Deutschland eigentlich erleben

VON LISA MAUCHER

„Hast du ein Visum?“, „Sie sprechen unsere Sprache aber gut!“, „Seit wann leben Sie in Deutschland?“ Mit solchen Sätzen – die nicht böse gemeint sein müssen – werden Migranten hierzulande immer wieder konfrontiert. Den Menschen wird damit suggeriert, dass sie nicht hierher gehören, ihre Heimat weit weg ist. Das kann weh tun, vor allem, wenn man seit Jahren in Deutschland lebt oder sogar geboren und aufgewachsen ist.

Weil sie das Gefühl der Ausgrenzung kennen, gründeten die Berlinerinnen Marula Di Como und Florencia Young das Kollektiv „Migrantas“. Die Künstlerin und die Grafikerin wollen Außenseitererfahrungen mit einer Kampagne in das Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft rücken.

Die Argentinierinnen Young und Di Como arbeiten seit zehn Jahren zusammen, 2005 kamen sie nach Berlin. Für ihre Kampagne kontaktierten sie lokale Frauenorganisationen und -vereine, darum bittend, dass Migrantinnen ihre Erfahrungen in Deutschland zeichnen. Rund 300 Arbeiten kamen zusammen. „Wir wollen sichtbar machen, was diejenigen Frauen denken und fühlen, die ihr eigenes Land verlassen haben und nun in einem neuen leben“, sagt das Duo über seine Motivation.

Die Themen, die die Frauen am meisten beschäftigten, wurden in Piktogramme umgesetzt. Zu sehen sind diese auf Plakaten, als digitale Animation in der U-Bahn, auf Flyern oder auf Tragetaschen – erst in Hamburg, momentan in Berlin. „Ob Flüchtling oder Akademiker. Wir sind alle Migrantinnen“, sagt Young.

Der 24 Jahre alte Student Manuel Tabiou ist der Sohn eines Togolesen. Wegen seiner Hautfarbe macht er immer wieder rassistische Erfahrungen. Als er in Bremen auf Wohnungssuche war und ein WG-Zimmer fand, unterschrieb er direkt den Untermietvertrag. Als die Vermieterin Tage später den Nachnamen von Manuel Tabiou las, zog sie den Vertrag im letzten Moment zurück. Begründung: „Bei mir wohnen nur richtige Deutsche.“ Was sie allerdings ignorierte oder ihr wahrscheinlich auch egal war: Der junge Mann ist in Hamburg aufgewachsen.

Die Spanierin Elo Suárez besuchte in ihrem Heimatland deutsche Schulen, weswegen die Sprache für sie nie eine Barriere war. Das Klischee der Spanier allerdings schon. Bei der Arbeitssuche wurde die 27-Jährige immer wieder darauf hingewiesen, dass man hier allerdings keine Siesta machen dürfe. Seit zwei Jahren lebt sie in Berlin und stellt fest, dass ihr spanisches Aussehen sie noch immer von anderen abgrenzt: „Zu oft werde ich im Alltag mit dem spanischen Stereotyp konfrontiert, der hier einen schlechten Ruf hat“, so Elo Suárez.

„Es fehlt an Empathie“, findet Anna Gabai, die anfangs bei Behörden immer zweimal nachfragen musste, bis sie eine Antwort bekam. Deswegen trauen sich viele Ausländer nicht, beharrlich zu bleiben, glaubt die Italienerin, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt. „Es lastet der strenge Blick mancher Beamten auf einem.“ Die Musterung nach Religion und Aussehen findet die 31-Jährige furchtbar. Obwohl Anna Gabai es als ein großes Glück beschreibt, in Berlin leben zu können, sieht sie vor allem beim Umgang mit ausländischen Neuankömmlingen große Probleme.

„Mir wurden alle „deutschen Eigenschaften“ beigebracht, sagt Julien Thielen (24), der kenianische Wurzeln hat. Seit er zwei ist, lebt er in Deutschland und erlebt es immer wieder, dass seine Hautfarbe irritiert. So wurde er einmal am Frankfurter Hauptbahnhof von einer älteren Frau angesprochen, die sich darüber wunderte, dass er deutsch redet. Es komme auch vor, dass er nicht in einen Club reinkomme, wobei ihn die Ausreden der Türsteher am meisten anwiderten. In den meisten Fällen lag es an einer Gästeliste, die es offensichtlich nicht gab.

„Vom Aussehen her könnte man mich nicht als Deutschrussin identifizieren“, sagt Julia Herz-el Hanbli. Außerdem spricht sie fließend deutsch, nur das rollende R ist noch hörbar. Sätze wie „Du sprichst aber gut deutsch!“ oder „Verstehst du mich?“ hat sie oft gehört. Die 31-Jährige lebt seit 1992 in Deutschland und hat in Mainz studiert. Sie will Journalistin werden. Ihr Freundeskreis ist deutsch, russisch spricht sie fast nur mit ihrem Kind, damit es zweisprachig aufwächst. „Die Russen lachen sich kaputt, wenn ich mit ihnen rede. Ich kenne die Redewendungen nicht mehr“, erzählt sie.

Die US-Amerikanerin Kelly Miller (23), studierte mit einem Stipendium Deutsch in Berlin und wollte nebenher Englischunterricht geben. „Wenn Europäer den Job machen können, dann gibt man mir ihn nicht“, sagt sie, die immer wieder Absagen erhält. Die Ausländerbehörde hat zweimal ihr Visum abgelehnt, das sie braucht, um hier ihren Masterabschluss machen zu können. Dazu kommt, dass die Beamten oft kein Englisch können, was sie als „ignorant“ bezeichnet. In einem Jahr läuft ihr Visum ab. In Deutschland, so Kelly Miller, werden Gesetze willkürlich ausgeführt.

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