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MÜSSIGGANG MIT LAUTSTÄRKEREGELFEHLERN, EINER LESBISCHEN GITARRENGÖTTIN UND FALSCHER BIONADEKaki King in der Karwoche

VON RENÉ HAMANN

Karwoche. Getrauert wird, und damit die Seele des Toten nicht entweicht, werden die Spiegel verhangen. Es wird kaum gegessen, und auf Fleisch gleich ganz verzichtet. Eine letzte Dunkelheit legt sich über die katholischen Dörfer und Städte; Gründonnerstag haben die Bars geschlossen und machen erst wieder auf, wenn der Karfreitag rum ist, nämlich zur Mitternachtsstunde auf den Samstag. So war das früher, so ist es mancherorts noch heute.

Gleichzeitig setzte ein langwieriger, recht schleimiger Prozess ein, irgendwann während einer wilden Nacht im Kaffee Burger, wo erstaunlich wenig los war und der DJ zwar aussah wie aus einem Werbespot geklaut, aber unglaubliche Übergangs- und Lautstärkereglerfehler hinlegte. Kurzum, die Karwoche bestand auch für mich in Verzicht und Müßiggang, nur genießen konnte ich das nicht.

Ostersamstag war es dann an der Zeit, nach ausreichend Schlaf mal behutsam vor die Tür zu gehen. Kaki King, lesbische Gitarrengöttin und so etwas wie die verspätete feministische Antwort auf Eddie Van Halen, spielte im Lido. Sie entpuppte sich als freundliche, charmante und witzige Entertainerin, die einfach sehr gut Gitarre spielen konnte – ihre Stücke waren nicht minder freundlich, hatten aber keine wirkliche Richtung oder Aussage. Entweder gab es ätherisches Gegniedel, das an das mittlere Spätwerk Pink Floyds erinnerte oder an so komische Entspannungs-CDs, die alle Muskeln gleichzeitig verkrampfen lassen.

Die guten Teile ihrer Musik, die sie mit zwei Männern als Band vorbrachte, schienen den richtigen Mogwai-Platten entlehnt, oder klangen, wenn Kaki sang, wie irgendetwas von Veruca Salt oder Tanya Donelly. Aber es hätte natürlich viel schlimmer kommen können – nämlich wenn echtes, altes Virtuosentum vorgebracht worden wäre. So mit echt schlimmen Blues-Soli.

Kaki und Begleitband sahen nach Kunst- oder Musikstudenten aus, der lockige, bebrillte Schlagzeuger konnte den trockenen Stadionrockbeat, der Mann links auf der Bühne blies dazu in eine schwarze Mehrfachsteckdose, die wohl eigentlich eine Art E-Tuba war. Und das Publikum war tatsächlich auch so, wie man es sich ausgemalt hatte. Männer mit Zöpfen und Frauen, die auf Frauen stehen. Kurzhaarschnitt, Brille, strenger Blick, manche heterosexuelle Frau sollte sich an diesem Stil ein Beispiel nehmen, aber da sprechen vielleicht nur private Vorlieben aus mir.

Ein Wort noch zum Lido: Wie immer war die Atmosphäre angenehm, und selbst der Türsteher war freundlich, trotzdem beginnen diese Indierockmogule vom Karrera Klub, die ja inzwischen die halbe Stadt aufgekauft haben, unangenehme Seiten zu entwickeln. Vielleicht nur eine Kleinigkeit: Aber die gute, alte Bionade, das Getränk der Nullerjahre, wurde hier durch das Konkurrenzprodukt aus dem Hause Carlsberg ersetzt: BEO. Und das ganz ungeachtet der Tatsache, dass diese Schein-Bio-Brause für den „Goldenen Windbeutel“ nominiert ist, heißt, nicht im Entferntesten das ist, was sie zu sein verspricht. Schmeckt übrigens auch mindestens eine Klasse schlechter als die echte Bionade.

Im Mysliwska, dem Laden für die ältere Boheme und mitteljunge Leute, die nach dem Lido eben noch ein, zwei gute Gesprächsbiere verzehren möchten, gab es kaum Musik, dafür seltsame Augen, die einen anschauten, als sei man berühmt. Na, vielleicht wird diese Kolumne ja doch in Teilen der Stadt gelesen, und vielleicht hat die Politik der Zeitung, die Kolumnen mit Fahndungsfotos ihrer KolumnistInnen zu versehen, doch Auswirkung.

Zum Schluss noch eine mitgeschnittene Szene aus der Adalbertstraße. Eine Frau hat sich einen neuen Besen gekauft und trägt ihn nach Hause. Passant: „Können Sie das Ding nicht fliegen?“

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