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Femen-Frauen fliehen aus der Ukraine

DURCHSUCHUNG Nach einer Polizeirazzia fürchten die Feministinnen eine mögliche langjährige Haftstrafe wegen Waffenbesitzes. Überraschend hatte die Polizei eine Granate und eine Pistole im Büro gefunden

Man hat den Eindruck, dass die Polizisten vorher wussten, wo sie suchen müssen

AUS KIEW JURI DURKOT

Drei Aktivistinnen der Femen-Bewegung haben die Ukraine am Samstag verlassen, nachdem sie von der Kiewer Polizei am Freitag zum Verhör vorgeladen worden waren. In einer Presseerklärung teilte Femen mit, dass Jana Schdanowa, Anna Guzol und Alexandra Schewtschenko aus Angst um ihr Leben und ihre Freiheit in ein europäisches Land geflüchtet sind. Der Hintergrund dafür ist ein Strafverfahren, das gegen Femen wegen Waffenbesitz eröffnet wurde. In der vergangenen Woche hatte die ukrainische Polizei im Kiewer Femen-Büro eine Pistole und eine Granate sichergestellt. Als Anlass für die Durchsuchung der Büroräume hat das Innenministerium einen anonymen Anruf über eine angeblich Bombe im Femen-Büro genannt. Der illegale Waffenbesitz kann in der Ukraine mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren geahndet werden.

Femen hält die Vorwürfe für absurd. Die Polizei habe die Waffen sofort gefunden, sagte Anna Guzol der Zeitung Kommersant-Ukraine. Man habe den Eindruck, dass die Polizisten schon vorher gewusst hätten, wo sie suchen mussten. Von daher habe Femen keine Zweifel, dass die Waffen den Aktivistinnen zugesteckt worden seien. Darüber hinaus hat man Porträts vom Moskauer Patriarchen Kyrill und Präsident Wladimir Putin mit aufgemalter Zielscheibe auf der Stirn gefunden. Femen wollte medienwirksame Protestaktionen anlässlich der Ende Juli abgehaltenen Feierlichkeiten zur Christianisierung der Kiewer Rus organisieren. „Jetzt werden sie uns den versuchten Anschlag in die Schuhe schieben“, fügte Guzol hinzu.

Femen hat mit ihren Entblößungsaktionen in der Ukraine immer wieder für Aufregung gesorgt. In den letzten Jahren haben sie unter anderem gegen die EM 2012, gegen den Sextourismus, gegen die Diskriminierung von Frauen oder gegen die orthodoxe Kirche protestiert. Aus Solidarität mit den verurteilten Mitgliedern der russischen Punkband Pussy Riot hat Femen im August 2012 mit einer Handsäge das Kreuz gefällt, das in Kiew für Opfer des Stalinismus aufgestellt wurde. Zuletzt haben die Aktivistinnen Aktionen gegen die Polizei und die Nachrichtendienste angekündigt.

Die feministische Bewegung wird in der Ukraine äußerst kontrovers wahrgenommen. In der Kritik von Femen sind sich die Rechten und die Linken ausnahmsweise einig. Zahlreiche intolerante Kommentare dominieren im Internet. Und die provokativen Auftritte ihrer Aktivistinnen sind den Behörden in einer patriarchalischen Gesellschaft schon längst ein Dorn im Auge.

Zuletzt berichteten die Aktivistinnen über einen immer stärkeren werdenden Druck. Im Juli und August wurde Anna Guzol bei zwei Überfällen zusammengeschlagen. Einige Aktivistinnen wurden von der Polizei festgenommen. Doch Stimmen zu deren Schutz sind eher selten. Immerhin protestierte Ende Juli der Stellvertretende Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im ukrainischen Parlament laut: „Wir müssen die Ziele und die Methoden von Femen nicht teilen. Aber wir können uns nicht in ein Land verwandeln, wo von Behörden angeheuerte Kriminelle versuchen, Andersdenkende mundtot zu machen.“

Femen wurde 2008 in der Ukraine gegründet. Die Gruppe setzt sich für Frauenrechte ein und hält immer wieder Oben-ohne-Proteste ab.

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