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die taz vor 19 jahren über die gewaltdebatte im bundestag

Die Gewaltdebatte ist zum Ritual geworden. Das heißt nicht, sie sei nicht ernst zu nehmen. Im Gegenteil: man darf sie nicht auf die Wahlkampfspekulationen eines Geißler reduzieren. Die Grünen haben sich bemüht, die Debatte zu entlarven.

Schlecht hat es Regula Schmidt-Bott getan: im Sinne einer geschichtsphilosophischen Retourkutsche hat sie die endlose Kette der Opfer staatlicher Gewalt entgegengehalten – bis hin zum Versprecher, daß Demonstranten „vergast und eingekesselt“ (in dieser Reihenfolge) werden. Antje Vollmer hat – in einer guten Rede – Geißler erwidert, daß gerade der massenhafte gewaltlose Widerstand es ist, weswegen Gewaltdebatten vom Zaun gebrochen werden. Richtig. Dennoch bleibt ein schales Gefühl. Ein schales Gefühl, als ob die Grünen sich entziehen.

Auch die Entlarvung ist Teil ihres Rituals. Eine merkwürdige Gewaltsüchtigkeit beherrscht diese Debatten, und man wird den Verdacht nicht los, als ob hier auf schlimme Weise deutsche Vergangenheit mit bedrohlicher Zukunft verknüpft wird. Gewalt wird nachgerade zur Quelle der politischen Identität, von der rechtsstaatlichen Gesinnung bis hin zur verklausulierten Option, zukünftig auch revolutionieren zu dürfen. Widerstand oder Rechtsweg: alles definiert sich über den Staat.

Die Gewaltdebatte ließe sich wenden, insbesondere für die Grünen, wenn sie selbstkritisch akzeptieren würden, daß sie nicht in einem festen Bunker politischer Legitimationen sitzen können. Daß die Gefahren des Atomstaates, die Existenzsicherung selbst gewalttätigen Widerstand rechtfertigen könnten, ist zwar ein plausibles Argument, aber eine schlechte Legitimation. Schon deswegen, weil der andere grüne Anspruch auf freiheitliche Auseinandersetzung sich nun keineswegs mit dieser Legitimation glatt versöhnen läßt. Hier liegt der unausgetragene ideologische Widerspruch der Grünen. Aber ein Ritual ist bekanntlich kein Ort für Selbstkritik.

Klaus Hartung, 3. 4. 1987

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