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Intendanten machen ganz großes Theater

Der Kulturausschuss lud die Intendanten der sechs großen Theater zum Vorsprechen. Doch statt über die künstlerischen Perspektiven Auskunft zu geben, beschimpften sie lieber Politiker als Kulturbanausen und gifteten sich gegenseitig an

Eigentlich war alles Theater: Mit dem hehren Versprechen „Es geht heute nicht um Geld“ eröffnete die grüne Vorsitzende des Kulturausschusses, Alice Ströver, dessen Sitzung gestern Morgen. Halten konnte sie es nicht. Eingeladen zum Vorsprechen waren – auf Antrag der Grünen und der FDP – die Intendanten der sechs großen Sprechtheater. Sie sollten über die „künstlerische Perspektive“ ihrer Häuser und ihre Marketingsituation reden.

„Die Theater müssen wissen, was sie wollen, und wir müssen wissen, wo sie stehen“, begründete Ströver den Antrag. Diesen Zweck hat das zweistündige Spektakel erfüllt. Die Theaterherren von Schaubühne, Volksbühne, Deutschem Theater (DT), Berliner Ensemble (BE), Maxim Gorki Theater und HAU machten mit gezielten wechselseitigen Seitenhieben und offenen Attacken auf die anwesenden Kulturpolitiker ordentlich Stimmung.

Den undankbaren ersten Auftritt hatte DT-Intendant Bernd Wilms. „Das DT ist ein ‚Theater der Klassischen Stücke‘, und das soll es auch bleiben.“ Ziemlich klassisch und nicht besonders risikofreudig hörte sich auch sein Zukunftsplan an: Das Thema der nächsten Spielzeit wird originellerweise „Deutsche Stoffe Zwei“ heißen – in Anlehnung an das der laufenden, das „Deutsche Stoffe“ heißt. Zu bürgerlich für Volksbühnenintendant Frank Castorf: „In der Berliner Mitte siedelt sich die Provinzialität an“, lautete sein Kommentar dazu.

Von seiner eigenen Bühne hatte Castorf aber auch nicht viel Neues zu vermelden. „Die Berliner Theater müssen ihre defensive Haltung aufgeben und künstlerisch mutiger werden“, lautete die Botschaft seines Monologs, der wie manche seiner Inszenierungen nicht zum Ende kommen wollte – Alice Ströver unterbrach ihn schließlich.

Thomas Ostermaier von der Schaubühne und Matthias Lilienthal vom HAU sprachen dann doch das leidige Finanzthema an. „Es müssen substanzielle Schritte unternommen werden, um die strukturelle Unterfinanzierung der Schaubühne zu beheben“, so Ostermaier. Lilienthal drohte gar damit, seinen Posten hinzuschmeißen, wenn sich am „fetten Problem Unterfinanzierung“ des HAU nichts ändere.

Zur Lösung dieses Problems stellten die Kulturpolitiker einen neuen Ansatz vor: „Wir haben durch Befragungen Besuchertypologien der Bühnen erstellt“, erklärte Sibylle Meister (FDP). Die sollten dazu dienen, dass die Häuser ihr Marketing verbessern, um neue Zielgruppen zu erreichen. Die Reaktionen der Intendanten fielen gemischt aus. „Wir haben uns den Bericht durchgelesen und fanden ihn ganz interessant“, sagte Ostermaier. Er zweifle allerdings daran, dass man allein durch Werbung neue Zielgruppen gewinnen könne. Und in sein künstlerisches Konzept lasse er sich nicht von der Politik hereinreden. Darin waren sich ausnahmsweise alle Theatermacher einig.

Doch dann spitzte BE-Intendant Claus Peymann – wie so häufig – die Dramatik noch ein bisschen zu: „Marketing ist Quatsch“, dröhnte er. Es komme einzig und allein darauf an, dass auf der Bühne alles stimme. Dann ging er zum nächsten Akt, der Publikumsbeschimpfung, über: „Ich weiß gar nicht, warum ich hier sitze. Sie haben doch alle keine Ahnung, worum es beim Theater wirklich geht. Von der Freiheit, die wir haben, träumen Sie doch nur!“ Der einzig produktive Vorschlag, den Peymann vorbrachte, betraf die Entscheidung über seine Nachfolge: „Suchen Sie sich einen Künstler! Es geht nicht darum, dass er Ihre Sprache spricht.“ Das war der theatralische Höhe- und Schlusspunkt. Peinliches Schweigen, kein Applaus. „Herr Peymann, ich gehe lieber abends ins Theater“, meinte Alice Ströver dazu.

Sophie Diesselhorst

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