STEFFEN GRIMBERG ÜBER DIE BESETZUNGSFARCE BEIM BAYERISCHEN RUNDFUNK: Intendantenstadl
Wie aufregend: Beim Intendantenstadl des Bayerischen Rundfunks (BR) ist doch noch ein weiterer Kandidat aufgetaucht. Rudi Erhard ist der Münchner Landtagsreporter des Senders, ein ehrenwerter Kerl – und ein reiner Zählkandidat. Bei den herrschenden Mehrheiten beim BR ist er chancenlos gegen den klar gesetzten Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm (CSU).
So hat man es pünktlich zum 60. Geburtstag der ARD gleich mit zwei Farcen zu tun: Zum einen mit einer Wahl, die gar keine ist; dramatischer noch ist aber das Selbstverständnis, das sich hier im öffentlich-rechtlichen System wie in der Politik offenbart.
Ein Regierungssprecher, also der Spin-Doctor der Mächtigen, wechselt mal eben unter allgemein zustimmendem Kopfnicken auf den Intendantensessel in München – und ist damit als oberster Journalist der Anstalt künftig, sogar per Verfassungsauftrag, Kontrolleur seiner alten Freunde. Und niemanden stört’s.
Im Gegenteil: In vielen Blättern, die zum politisch motivierten Rausschmiss von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender vor wenigen Wochen noch berechtigterweise „Skandal“ schrien, erscheinen jetzt freundliche Porträts des bei den Journalistenkollegen ach so beliebten Regierungssprechers. Schon vergessen, dass bei Brender genau die Regierung und die Kanzlerin, für die Wilhelm spricht, Drahtzieher der Aktion waren?
Aber nein: Mancher beim BR freut sich schon auf die guten Kontakte in die Politik, die Wilhelm zum Wohle des Ladens mitbringt. Und der Rundfunkrat der Anstalt lässt sich, von an einer Hand abzuzählenden Ausnahmen abgesehen, brav als Stimmvieh vorführen. Wenn das Verfassungsgericht demnächst über mangelnde Staatsferne beim ZDF urteilt, gehört die ARD gleich mit auf die Bank.
Flimmern + Rauschen SEITE 17
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